Kommentar EuGH-Urteil zu Google: Die Frage ist: Wer entscheidet?

Das Urteil des EuGh heißt nur, dass künftig nicht nur Google, sondern auch Betroffene an den Suchergebnissen herumschrauben. Klarheit schafft es nicht.

Google, das freundliche Unternehmen, das sich um Pressefreiheit verdient macht? Geht so. Bild: dpa

Zensur. Das ist immer der erste Vorwurf, der kommt, wenn Google gerichtlich dazu gezwungen werden soll, etwas an seinen Suchergebnissen zu ändern. Egal ob es um unliebsame Einträge in der Autovervollständigung geht, um Sexfotos oder – wie bei der aktuellen Entscheidung des Europäische Gerichtshofs – um einen Link auf eine Seite mit sensiblen persönlichen Informationen, die tiefe Einblicke in die Vergangenheit erlauben.

Zensur klingt gut. Denn das klingt danach, als wäre Google ein Unternehmen, das sich um Pressefreiheit, um freie Meinungsäußerung verdient macht oder zumindest gefundene Informationen ohne weitere Eingriffe für die Öffentlichkeit bereitstellt. Um Informationen zu vermitteln, Wissen, um so die Welt ein klein wenig klüger und besser zu machen.

Dabei ist es als Allererstes Google selbst, das Eingriffe an den Suchergebnissen vornimmt. Angefangen mit dem Faktor Land, in dem der Suchende verortet wird, über die Bevorzugung unternehmenseigener Angebote bis hin zum Einfluss der persönlichen Suchhistorie und anderer vermeintlicher Interessen des Suchenden, die der Konzern über sein weitverzweigtes Unternehmensnetzwerk erhält. Aus Schlagwörtern in ausgewerteten Mails zum Beispiel. Oder über die besuchten Webseiten, die der hauseigene Browser kennt. Alle diese Eingriffe in die Suchtreffer gehen auf einen einzigen gemeinsamen Nenner zurück: das wirtschaftliche Eigeninteresse des Konzerns.

Wenn der EuGH nun ein Recht auf Vergessenwerden festschreibt, heißt das erst einmal nur, dass künftig nicht nur Google, sondern noch ein Akteur an den Suchergebnissen herumschraubt. Nämlich der Betroffene selbst, mittelbar zumindest, schließlich sind es letztlich immer noch die Gerichte, die entscheiden.

Und vielleicht ist das eigentliche Problem nicht das Recht auf Vergessenwerden, sondern die Frage: Wer entscheidet eigentlich, was wann über wen vergessen werden darf oder muss? Entscheidet Google, weil irgendwann eine Information in den Suchtreffern so weit nach hinten rutscht, dass sie faktisch nicht mehr wahrgenommen wird? Entscheiden Gerichte? Würde damit eine Willkür durch eine andere ersetzt?

Eine gute Möglichkeit, hier Klarheit zu schaffen, wäre die geplante Reform des EU-Datenschutzrechts. Wenn sie denn tatsächlich eines Tages kommt.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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