„Jüdisches Leben ist bedroht, aber nicht nur in Europa“

TERROR Können Juden nach den Anschlägen in Dänemark und Frankreich in Europa noch sicher leben? Ja, sagt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wir lassen uns nicht vertreiben, sagt Dänemarks Chefrabbiner

BERLIN/JERUSALEM taz/dpa | Führende Vertreter jüdischer Gemeinden in Deutschland und Dänemark haben sich der Ansicht entgegengestellt, sie könnten nach den Anschlägen in Kopenhagen und Paris nicht mehr sicher in Europa leben.

Terrorismus sei ein weltweites Phänomen, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland im Interview mit der taz. Daher seien Juden in Europa bedroht, „aber leider nicht nur“. Er habe das Gefühl, dass die Sicherheitsbehörden in Deutschland sehr verantwortlich mit der Thematik umgehen. Und die Sicherheitsmaßnahmen in Kopenhagen hätten, davon sei er überzeugt, sogar ein größeres Blutvergießen verhindert, sagte Schuster.

Dänemarks Chefrabbiner Jair Melchior hat derweil Aufrufe an die Juden Europas kritisiert, nach Israel auszuwandern. „Wir haben keine Angst“, sagte Melchior dem israelischen Rundfunk am Montag. „Wir lassen uns nicht von Terroristen dazu zwingen, unser tägliches Leben zu ändern, in Angst zu leben und an andere Orte zu fliehen“, sagte Melchior. Juden könnten nach Israel auswandern, weil sie den jüdischen Staat liebten, „aber nicht, weil sie Angst haben, in Dänemark zu leben“, sagte der Oberrabbiner.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte europäische Juden nach den Anschlägen dazu aufgerufen, nach Israel auszuwandern. Israels Regierung bereitet sich mit einem Sonderplan auf die Aufnahme zahlreicher jüdischer Einwanderer aus Frankreich, Belgien und der Ukraine vor.

Am Wochenende hatte ein Mann in Kopenhagen mit Schüssen auf eine Diskussionsveranstaltung über Meinungsfreiheit und auf eine Synagoge zwei Menschen getötet. Bei dem Schützen soll es sich um einen 22-jährigen Dänen mit palästinensischen Eltern handeln. Die nahezu zeitgleiche Schändung jüdischer Gräber in Frankreich war offenbar die Tat einer Gruppe Jugendlicher.

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