Geschlecht und Staatshilfe: "Frauen-Branchen lässt man sterben"

Die Bundesregierung rettet Opel, Arcandor nicht. Damit gehen vornehmlich Frauenarbeitsplätze verloren. Die Ökonomin Friederike Maier über industriepolitische Prioritäten.

Weniger wert als die Opel-Schrauber? Karstadt-Mitarbeiterinnen demonstrieren für ihre Jobs. Bild: dpa

taz: Frau Maier, Opel beschäftigt zu 92 Prozent Männer, Arcandor zu drei Viertel Frauen. Opel wird gerettet, Arcandor nicht. Ist das gerecht?

Friederike Maier: Es wird auf jeden Fall mit zweierlei Maß gemessen. Die beiden Branchen werden in Deutschland sehr unterschiedlich bewertet, was nicht ganz zufällig mit dem Geschlecht der dort Arbeitenden korreliert.

54, ist Direktorin des Harriet Taylor Mill-Instituts der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Arbeitsmarktpolitik und Frauen und Ökonomie.

Die Autoindustrie ist der Politik wichtiger als der Handel?

Ja. Dabei kommen mehrere Selbstdefinitionen zusammen: Deutschland begreift sich als Industriestandort, als Autoproduzent und als Exportnation. Der Handel ist in dieser Wahrnehmung etwas ganz anderes. Er ist lokal, er produziert nicht.

Die Industrie schafft die Werte, die der Handel nur verteilt, lautet das Argument.

Das ist ein ganz alter volkswirtschaftlicher Irrglaube. Wir haben eine internationale Arbeitsteilung. Da ist die Frage: Wer muss was produzieren? Müssen die Deutschen Autos bauen? Vielleicht können die Koreaner das wirklich besser. Und wir können dafür vielleicht etwas anderes: Intelligente Dienstleistungen, Software, Solaranlagen. Eine kapitalistische Gesellschaft muss nicht selbst alles produzieren. Sie kann auch Handel treiben, sie kann mit Dienstleistungen reich werden, wie die Schweiz.

Nun ist Karstadt kein so gutes Beispiel für Wachstum.

Opel hat Autos produziert, die keine Käufer gefunden haben. Wo ist der Unterschied?

Für Opel gibt es eine Exportzukunft, für Karstadt nicht.

Auf dem internationalen Automarkt gibt es ebenfalls eine Überproduktion, insbesondere im Mittelklasse-Segment. Aber weil die deutsche Politik so an die Autoindustrie glaubt, wird sie gestützt. Genauso gut hätte man Konsumgutscheine ausgeben können, für Kinderkleider oder Flachbildschirme, das hätte Arcandor Zeit für eine Neuausrichtung gegeben. Nicht einzelne Rettungsaktionen sondern ein klarer konturiertes Konjunkturprogramm wäre hier gefragt. Der Staat muss entweder die Geschäftspolitik mitbestimmen können oder die Finger von solchen Unternehmen lassen.

Und ist es nun Zufall, dass vorwiegend Frauenarbeitsplätze über die Wupper gehen?

Nein. In der sogenannten Kernindustrie sind die guten Jobs für die "Familienernährer". Frauenarbeit wird als Zuverdienst wahrgenommen. Das kann durchaus auch die Industrie sein. Aber auch die frauendominierten Industrien hat man in den siebziger Jahren sang- und klanglos sterben lassen: Textilindustrie, Bekleidung, Nahrungsmittel.

Die SPD hat als erstes darauf hingewiesen, dass man bei Arcandor vor allem Frauenarbeitsplätze retten sollte.

Dass die SPD hier einen Gender-Aspekt aufgreift, ist bemerkenswert. Früher hätte man gesagt: Die Industrie ist unser Hauptaugenmerk, alles andere ist abgeleitet. "Das sind ja nur Arbeitsplätze von Frauen", das sagt heute keiner mehr. Aber die Frage ist: Folgt daraus irgend etwas?

Trotz des Arguments "Frauen" wollen zwei Drittel der Deutschen keine Arcandor-Rettung.

Aber nicht, weil sie gegen Frauenarbeitsplätze sind, sondern weil sie nicht einsehen, dass sie mit ihren Steuergeldern für Managementfehler bezahlen sollen. Die Eigentümer haben die Gewinne privatisiert, nun wollen sie die Verluste sozialisieren. Das mag die Bevölkerung nicht.

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