Die Stahl-Prinzessin

Die reiche neue Besitzerin aus Indien löst bei den Escada-Angestellten in München Freudentränen aus

Megha Mittal ist eine Prinzessin, von der niemand weiß, ob sie es je sein wollte. Sie studierte einst an der Wharton School der Pennsylvania-Universität Architektur. Da verliebte sich ihr Studienfreund Aditya in sie. Er war der älteste Sohn von Indiens mächtigstem Stahlunternehmer. Monatelang wollte sie ihn nicht mehr sehen. Aber er ließ nicht locker. Am Ende heiratete sie Aditya doch – aber ob sie es wirklich wollte? Oder konnte sie ihrem Vater Madan Patodia, einem vergleichsweise mittellosen Textilunternehmer in Kalkutta, die Traumpartie für seine Tochter nicht abschlagen? Egal. Jetzt wird die Prinzessin im Stahlreich Mittal, dem inzwischen weltgrößten seiner Art, auf ganz besondere Art und Weise für ihre Treue und Schönheit belohnt. Nicht mit Stahl, versteht sich, sondern mit bunter, feiner, oft paradiesvogelhafter Mode.

Das deutsche Luxusmodehaus Escada in München mit weltweit 2.000 Mitarbeitern gehört seit gestern Megha Mittal. Schwiegervater und Ehemann haben ihrer Prinzessin endlich ihr eigenes Reich geschaffen. Wozu hatte sie schließlich einmal studiert, warum später als Investmentbankerin gearbeitet? Nur um vor drei Jahren eine kleine Tochter zu bekommen? Nein. Megha Mittal hat wohl lange genug im Schatten ihrer beiden Supermänner gewirtschaftet. Sohn und Schwiegervater, Aditya und Lakshmi Mittal, schrieben in den letzten 10 Jahren mit der Expansion des Stahlkonzerns Geschichte. Etwa so lange, seit der Hochzeit mit Aditya 1998 in Kalkutta, stand Megha an ihrer Seite.

Die sensationelle Übernahme des europäischen Stahlriesen Arcelor 2006 war ganz die Idee des jungen Aditya – und man munkelt, wohl auch seiner Frau. Vielleicht wollte sie ja immer schon ins Geschäft einsteigen. Jetzt kann sie es und beginnt gleich mit der für die Mittals typischen Überzeugungsarbeit bei den Angestellten. Mit ihrem Mann stellte sie sich gestern in München der Belegschaft vor. Sie habe eine „total emotionale Ansprache“ gehalten, sagt die Betriebsratsvorsitzende Ursula Dreyer. Sie habe „natürlich und bodenständig“ gewirkt. „Uns sind die Freudentränen runtergelaufen“, so Dreyer. Es hört sich an, als sei Escada erlöst worden. Sich nicht wie eine Prinzessin erlöst zu fühlen, sondern andere zu erlösen – darauf hat Megha wohl seit 1998 gewartet. GEORG BLUME