Terrorchef geht deutscher Justiz ins Netz

VÖLKERMORD Der in Deutschland lebende Präsident der ruandischen Hutu-Terrormiliz FDLR, Ignace Murwanashyaka, wird wegen Kriegsverbrechen verhaftet

Die Ermittlungen wurden „seit etwa einem Jahr mit großem Aufwand verdeckt geführt“

VON DOMINIC JOHNSON
UND SIMONE SCHLINDWEIN

BERLIN/KAMPALA taz | Jahrelang konnte die Nachfolgeorganisation der Täter des ruandischen Völkermordes unbehelligt aus Deutschland den andauernden Krieg im Osten der Demokratischen Republik Kongo steuern. Das ist jetzt vorbei. Am gestrigen Mittwoch gegen sechs Uhr früh nahmen Fahnder des Bundeskriminalamtes (BKA) in Karlsruhe Ignace Murwanashyaka fest, Präsident der ruandischen Hutu-Exilmiliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). Sein Stellvertreter Straton Musoni ging den Beamten in Nürtingen ins Netz. Am Mittag bestätigte die Bundesanwaltschaft, die beiden Ruander würden „dringend verdächtigt, sich als Mitglieder der ausländischen terroristischen Vereinigung FDLR wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wegen Kriegsverbrechen strafbar gemacht zu haben; der Beschuldigte Dr. Ignace M. soll zudem Rädelsführer der Terrororganisation gewesen sein“.

Noch am Nachmittag wurden die beiden in Karlsruhe einem Haftrichter vorgeführt, der zunächst gegen Murwanashyaka Haftbefehl erließ. Die Prüfung des Haftantrages gegen Musoni dauerte bei Redaktionsschluss noch an. „Wir mussten so lange ermitteln, bis wir sichergehen konnten, dass der Haftbefehlantrag auch durchgeht“, sagte Oberstaatsanwalt Frank Wallenta von der Bundesanwaltschaft der taz. Die Ermittlungen wurden „seit etwa einem Jahr mit großem Aufwand verdeckt geführt“.

Die FDLR ist eine bewaffnete Organisation von noch rund 6.000 Mann, die aus den für den Völkermord an über 800.000 Menschen in Ruanda 1994 verantwortlichen Hutu-Milizen und der damaligen Armee hervorgegangen ist. Seit ihrer Flucht aus Ruanda unter wechselnden Namen an Kongos Kriegen beteiligt, wird die FDLR zum Teil von Tätern des Völkermordes kommandiert. Ihre zivile Führung lebt im Exil, so Präsident Murwanashyaka und Vizepräsident Musoni in Deutschland.

Murwanashyaka, seit 1990 in Deutschland und seit 2000 als politischer Flüchtling anerkannt, wurde 2001 zum Präsidenten der FDLR gewählt. Weil er 1994 nicht unmittelbar am Völkermord beteiligt war, war er für seine von Tätern durchsetzte Organisation ein vorzeigbarer Repräsentant mit scheinbar weißer Weste. Murwanashyaka lebt in Mannheim, sein Stellvertreter Musoni in Neuffen. Die FDLR wird für zahlreiche Kriegsverbrechen im Osten der Demokratischen Republik Kongo verantwortlich gemacht. Dort sind über 1,5 Millionen Menschen auf der Flucht.

Wiederholte Militärschläge gegen die FDLR in den letzten Monaten haben die Milizen radikalisiert. Laut Erklärung der Bundesanwaltschaft „sollen die Milizionäre der FDLR von Januar 2008 bis Juli 2009 mehrere hundert Zivilisten getötet, eine Vielzahl von Frauen vergewaltigt, etliche Dörfer geplündert und gebrandschatzt, die Dorfbewohner zum Teil vertrieben und zahlreiche Kinder als Soldaten zwangsrekrutiert haben“. Murwanashyaka sei als Präsident „der Oberkommandierende“, Musoni habe ihn „in militärischen Angelegenheiten vertreten und beraten“. Damit hatten sie „maßgeblichen Einfluss auf das Kriegsgeschehen. Sie hätten daher die zur Strategie der Organisation gehörende systematische Begehung von Gewalttaten durch die von ihnen befehligten Milizionäre an der Zivilbevölkerung unterbinden können. Damit stehen sie in dem dringenden Verdacht, als militärische Befehlshaber für die von der FDLR begangenen Verbrechen verantwortlich zu sein.“

Die Ermittlungen des BKA sollen nun „schnell und zügig“ weitergehen, so Wallenta. Bereits nächste Woche, hieß es in Berlin, werde ein Ermittlerteam nach Ruanda reisen, dessen Justiz umfangreiches Beweismaterial gesammelt hat.

„Das ist eine sehr wichtige Entwicklung“, sagte Matthew Brubacher vom Demobilisierungsprogramm der UN-Mission im Kongo (Monuc). Murwanashyaka sei derjenige gewesen, „der die Organisation kontrollierte und sie zusammenhielt“. Die Festnahme sei „eine starke Botschaft an die Militärführung“ der FDLR, sagte auch Dino Mahtani von der UN-Expertengruppe, die die Einhaltung der Sanktionen gegen Kongos bewaffnete Gruppen kontrolliert.