Poker um den VfL

Wie der VfL Osnabrück mit dem Wettskandal umgeht, war spannender als die Torbilanz

OSNABRÜCK taz | „Endlich, endlich wird Fußball gespielt“, rief der Stadionsprecher am Samstag in sein Mikrofon und sprach damit vielen Fans des VfL Osnabrück vor der Partie gegen die Amateure von Borussia Dortmund aus den Herzen. Der offensichtlich in den aktuellen Wettskandal verstrickte Drittligist sah sich in diesen Tagen einem überbordenden Medieninteresse gegenüber.

„Eine solche Hysterie kann ich nicht verstehen“, meinte VfL-Präsident Dirk Rasch und rügte damit die Berichterstattung. Am Freitagabend hieß es noch, Thomas Reichenberger, Kapitän und Stürmer, sei verhaftet worden. Doch der hatte nur mit Freunden zu Hause auf dem Sofa gesessen. Trotzdem schaute alles auf die Aufstellung: Der verdächtigte Stürmer ist im Kader und wurde von den 9.700 Zuschauer gefeiert. Um Punkt 13.20 Uhr hatte sich der 35-jährige passionierte Internet-Poker-Spieler noch auf dem Rasen im Stadion an der Bremer Brücke mit seinen Teamkameraden vor der Fankurve aufgebaut.

Arm in Arm bildeten die Fans eine Kette und demonstrierten Einheit. „Es ist viel auf mich eingeprasselt“, sprach Reichenberger zu den Zuschauern. „Ich bin nie mit einem Wettskandal oder der Wettmafia in Verbindung gebracht worden“, erklärte der Fußballer. Der Verein hatte wohl überlegt, Reichenberger mit Rücksicht auf die Mannschaft nicht aufzustellen. „Aber wir wollten ein Zeichen setzen, dass er mit dabei ist“, meinte VfL-Trainer Karsten Baumann.

Dass der VfL die Begegnung schließlich mit 4:1(1:1) gewann, blieb Nebensache. Viel wichtiger war, dass der Verein zusammenhalte, stellte Baumann fest.

Dass es in der vergangenen Saison einen Spieler gegeben habe, der mit der Bitte um einen Gehaltsvorschuss zur Tilgung von Spielschulden auf den Verein zugekommen sei, bestätigte VfL-Präsident Rasch. Das Geld sei zwei Monate später zurückgezahlt worden. Der VfL sieht sich nun als Opfer eventueller Manipulationen. Immerhin fehlten in der abgelaufenen Saison nur zwei Punkte zum Klassenerhalt. Wenn durch Wetten genau diese Punkte verkauft worden sind, ist das für den Verein doppelt bitter: Er gerät in negative Schlagzeilen und muss akzeptieren, nun unverdient in der dritten Liga um den Wiederaufstieg zu kämpfen.

HEIKO OSTENDORF