Der bürokratische Albtraum

HARTZ IV Ohne klare gesetzliche Absicherung der Jobcenter droht das Chaos. Denn getrennte Verwaltungen wären zu umständlich

Eine getrennte Verwaltung hätte „längere Aktendurchläufe“ zur Folge

BERLIN taz | Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) steht unter Zeitdruck. Denn bis Ende des Jahres muss eine Regelung für die Jobcenter gefunden sein. Die tragfähigste Vorlage für eine Neuordnung bieten zwei Gesetzentwürfe der SPD-Fraktion. Sie wurden im Dezember 2009 in den Bundestag eingebracht und von Ministerpräsidenten der Länder, auch der CDU-regierten Länder, befürwortet. Diese Entwürfe gehören nun zur Grundlage der Verhandlungen zwischen Union, FDP und Sozialdemokraten.

Laut dem SPD-Entwurf sollen die 350 Jobcenter, die regionalen Arbeitsgemeinschaften aus Arbeitsagentur und Kommunen, die sogenannten „Argen“, künftig als „Zentren für Arbeit und Grundsicherung (ZAG)“ firmieren. Im Kern würde dabei die bisherige Mischverwaltung in den Jobcentern aus Bund und Kommunen beibehalten.

Damit einhergehend schlägt die SPD ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vor. Diese Grundgesetzänderung würde die Mischverwaltung in den Jobcentern nicht mehr verfassungswidrig erscheinen lassen. Im Grundgesetz stünde dann der Passus, dass auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitssuchende der Bund, die Länder und Gemeinden in „gemeinsamen Einrichtungen“ zusammenwirken dürfen. Die Änderung ist nötig, weil das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 20. Dezember 2007 die derzeitige Form der Mischverwaltung in den Jobcentern für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt hatte. Das Gericht hatte dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31.Dezember 2010 eine verfassungskonforme Regelung zu finden.

Bereits Anfang 2009 war es zum Vorschlag mit dem „ZAG-Modell“ aus dem Hause des damaligen Arbeitsministers Olaf Scholz (SPD) gekommen. Der bereits fertig ausgearbeitete Entwurf mit einer Änderung des Grundgesetzes wurde jedoch von Rechtspolitikern der Union abgelehnt, weil diese keine Verfassungsänderung wünschten.

Bundesarbeitsministerin von der Leyen (CDU) legte zwischenzeitlich unter Zeitdruck ein Konzept vor – ohne Grundgesetzänderung, aber mit einer umständlichen getrennten Betreuung der Langzeitarbeitslosen durch Sachbearbeiter von Bund und Kommunen. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD, Anette Kramme, befürchtet dadurch „Abstimmungsprobleme bei der Klärung der Erwerbsfähigkeit“, „Aktenduplizierung“ und „längere Aktendurchläufe“ .

Gegen von der Leyens Entwurf regte sich starker Widerstand, nicht nur von den Oppositionsparteien und Wohlfahrtsverbänden, sondern auch von Landespolitikern der Union. Diese bevorzugen eine Grundgesetzänderung, um möglichst wie bisher in den Jobcentern weitermachen zu können. Für eine Grundgesetzänderung bräuchte die Union aber eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und damit die Stimmen der SPD.

Von der Leyen bleibt daher nichts anderes übrig, als die SPD-Vorschlägen wieder hervorzukramen und ist nun auch für eine Grundgesetzänderung. Streitpunkt zwischen SPD und Union dürfte dabei die Zahl der sogenannten „Optionskommunen“ sein. Das sind Gemeinden, die ihre Langzeitarbeitslosen in Eigenregie verwalten. Bisher sind das 69 Kommunen, die Union will eher mehr, die SPD eher weniger dieser Optionsgemeinden. Über eine „moderate, aber wirklich nur moderate Erhöhung“ der Zahl dieser Kommunen könne man reden, sagte jetzt SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil der taz.

BARBARA DRIBBUSCH