Streit an allen Fronten

EUROKRISE EU-Finanzminister finden keine gemeinsame Linie bei der geplanten Finanzmarktsteuer und vertagen die Entscheidung über die Griechenlandhilfe

Schäuble und seine Amtskollegen ließen den Gast aus Washington auflaufen

VON ERIC BONSE

BRÜSSEL/BRESLAU taz | In der Europäischen Union wird es vorerst keine Finanzmarktsteuer geben. Die EU-Finanzminister konnten sich bei ihrem Treffen in Breslau am Wochenende nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Zwar will die EU-Kommission in der kommenden Woche einen Entwurf vorlegen, wie Binnenmarktkommissar Michel Barnier ankündigte. Weder in der EU noch in der Eurogruppe zeichnet sich jedoch eine Mehrheit für eine modifizierte „Tobin-Tax“ ab.

Auch ein europäischer Alleingang, wie ihn Deutschland und Frankreich fordern, bleibt umstritten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will zwar weiter für die Finanztransaktionssteuer werben, die die Spekulation eindämmen soll. Er räumte jedoch ein, dass ein Alleingang in der schwarz-gelben Koalition in Berlin umstritten ist. In der EU sträuben sich vor allem Großbritannien, Italien und Schweden gegen ein Vorpreschen. Auch die USA sind gegen eine Finanzmarktsteuer.

Streit gab es in Breslau auch über die Hilfe für das überschuldete Griechenland und die Euro-Rettung. US-Finanzminister Timothy Geithner hatte ein entschlosseneres Vorgehen der Europäer gefordert, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Der Euro-Rettungsschirm EFSF müsse aufgestockt werden, außerdem sollten die Europäer das Wachstum ankurbeln, forderte er. Sollte der Kampf gegen die Eurokrise scheitern, werde dies „katastrophale Folgen“ für die Weltwirtschaft haben, warnte Geithner.

Doch Schäuble und seine Amtskollegen ließen den Gast aus Washington auflaufen. Kaum verhohlen warfen sie ihm Arroganz und Unwissen vor: Für Konjunkturprogramme sei kein Geld da, entgegnete Schäuble. Wer nicht Mitglied der Gemeinschaftswährung sei, solle auch nicht über den EFSF reden, sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten in der EU seien besser als in den USA, dozierte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet.

Eine Abfuhr holte sich auch Griechenland. Das hochverschuldete Land wartet dringend auf neue Finanzhilfen, um die drohende Pleite abzuwenden und Gehälter und Pensionen zu zahlen. Doch Schäuble und Co verschoben die Entscheidung über die eigentlich im September fällige Tranche von 8 Milliarden Euro auf Oktober. Außerdem forderten sie von der Regierung in Athen neue Sparanstrengungen; nach nicht bestätigten Berichten der griechischen Presse sollen 100.000 Mitarbeiter im öffentlichen Dienst gehen.

Die Lage ist so ernst, dass der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou eine USA-Reise abbrach und zu einer Krisensitzung nach Athen zurückkehrte. Papandreous Büro erklärte, die kommende Woche sei „für die Umsetzung der Eurozonen-Entscheidung vom 21. Juli und die Initiativen, die Griechenland in Angriff nehmen muss, von entscheidender Bedeutung“. Zuletzt hatte er eine Immobiliensteuer eingeführt, um die Sparauflagen zu erfüllen. Nun werden offenbar weitere Zumutungen fällig.

Die Eurokrise geht damit in eine neue Runde – statt sich, wie von den polnischen Gastgebern erhofft, zu entspannen. Auch das Verhältnis zu den USA ist nach dem Treffen in Breslau angespannt. Nur in einer Frage konnten die Finanzminister Erfolg melden: Die seit Monaten geplante Reform des Stabilitätspakts für den Euro ist endlich in trockenen Tüchern.

Sanktionen gegen Haushaltssünder können nach der nun erzielten Einigung früher verhängt und härter bestraft werden. Zudem will die EU künftig auch die Leistungsbilanz ihrer Mitgliedstaaten prüfen – Defizitländer wie Griechenland müssen sich dann ebenso rechtfertigen wie der Exportmeister Deutschland.

Für einen Eklat am Rande des Euro-Finanzministertreffens sorgte die österreichische Finanzministerin Maria Fekter. Die Politikerin der konservativen Österreichischen Volkspartei hatte das Anprangern von Banken und Reichen mit der Judenverfolgung verglichen. Es würden gerade „enorme Feindbilder in Europa gegen die Banken und die Reichen, die Vermögenden“ aufgebaut. So etwas habe es schon einmal gegeben, „damals verbrämt gegen die Juden, aber damals waren ähnliche Gruppierungen gemeint. Das hat zweimal in einem Krieg geendet.“