Cholerischer Polterer

Die Angst vor der fehlenden Kanzlerinnenmehrheit war groß. Da können Nerven schon einmal blank liegen. Trotzdem waren die Worte, die der christdemokratische Kanzleramtsminister Ronald Pofalla vor der Bundestagsabstimmung über die Aufstockung des Eurorettungsfonds im Disput mit einem Parteifreund wählte, gelinde gesagt etwas ungewöhnlich.

„Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“, knöpfte sich Pofalla den dissidierenden CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach nach einer Probeabstimmung in der nordrhein-westfälischen CDU-Landesgruppe am Montag vergangener Woche vor. „Du redest ja doch nur Scheiße“, schenkte der protestantische Niederrheiner Pofalla dem Vorsitzenden des Innenausschusses kräftig ein. Und als sich der verdatterte römisch-katholische Rheinländer Bosbach mit dem Verweis auf die im Grundgesetz festgeschriebene Gewissensfreiheit der Abgeordneten zu verteidigen suchte, konterte Pofalla erneut deftig: „Lass mich mit so einer Scheiße in Ruhe!“ Ein bemerkenswerter Satz für einen Juristen.

Pofalla gilt als einer der engsten Vertrauten von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Ihr diente er vor seinem Wechsel ins Kanzleramt bereits als CDU-Generalsekretär. 1959 im niederrheinischen Weeze geboren, startete seine politische Laufbahn Mitte der siebziger Jahre. Als 16-Jähriger trat er 1975 in die CDU ein. Früh galt er als politisches Talent, was ihm ein großzügiges Sponsoring seines Studiums durch den der Union verbundenen Müllunternehmer Bernhard Josef Schönmackers einbrachte. 1990 wurde der diplomierte Sozialpädagoge und Rechtsanwalt in den Bundestag gewählt. Im Oktober 2009 berief ihn Merkel zum Chef des Bundeskanzleramts.

Seine aufgrund des Amtes mittlerweile seltener gewordenen öffentlichen Auftritte wirken stets etwas bräsig. Intern gibt er hingegen gern den besserwisserischer Polterer – und ist berüchtigt für seine cholerischen Anfälle. Nach außen dringen die allerdings nur selten. Zum Glück für Pofalla. Denn solch tiefe Einblicke in seine aufgewühlte Gefühlswelt wie bei seinen Ausfällen gegen Bosbach wird er sich nicht mehr viele leisten können.

PASCAL BEUCKER