Nicht tragfähig

ROT-GRÜN SPD und Grüne beschuldigen sich gegenseitig, die Koalition blockiert zu haben

BERLIN taz | Gestern pfui, heute hui. Kaum hatte die Berliner SPD am Mittwoch die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen für gescheitert erklärt, ist bereits der neue Partner im Visier. Ohne Gegenstimme und bei nur 2 Enthaltungen hat der 40-köpfige Landesvorstand der Sozialdemokraten am Mittwochabend den Weg für Koalitionsgespräche mit der CDU frei gemacht. „Wir sollten daran arbeiten, eine solide Regierung hinzukriegen, die tragfähig ist“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).

Vor der Sitzung des Landesvorstandes hatte die einflussreiche SPD-Linke erbitterten Widerstand gegen ein Bündnis mit der CDU angekündigt. „Jetzt wird’s rappeln“, sagte ein SPD-Abgeordneter der taz. Dass es ruhig blieb, lag auch an Mark Rackles, dem Sprecher der SPD-Linken. In den Sondierungen mit den Grünen hat er Klaus Wowereit zum Kompromiss gedrängt. Die SPD stimmte zu, mit den Verhandlungen über eine Umwidmung der 420 Millionen für den Weiterbau der Berliner Stadtautobahn A 100 zu warten, bis es nach den Wahlen im Bund 2013 eine neue Bundesregierung gibt. Falls dies nicht gelingt, sollte es einen „qualifizierten Abschluss“ geben. Die SPD verstand das als Abschluss des Autobahnbaus. Die Grünen dagegen wollten nur ein Teilstück bauen. Rackles platzte der Kragen. „Die Grünen sind nicht verhandlungsfähig“, sagte er im Landesvorstand der SPD. Der Aufstand fiel aus.

Stattdessen schoben sich SPD und Grüne am Donnerstag den Schwarzen Peter zu. Die SPD kolportierte, dass der Kompromiss vor allem am linken Parteiflügel der Grünen gescheitert sei. „Da gab es wohl eine Anweisung von oben, nach Moorburg und der Moselbrücke nicht noch ein Großprojekt zu schlucken“, sagte ein Sozialdemokrat in Anspielung an grüne Kompromissbereitschaft in Hamburg und Rheinland-Pfalz.

Die Grünen warfen der SPD vor, die Koalition nie gewollt zu haben – vor allem Wowereit habe blockiert. Der habe sich in den Verhandlungen nie zu Rot-Grün bekannt. „Wowereit wollte uns das Genick brechen“, sagte Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann. Das sei sozialdemokratische Männerpolitik aus den 70ern. Die SPD müsse endlich akzeptieren, dass die Grünen eine eigenständige Partei seien.

UWE RADA, GEREON ASMUTH