Der Mann für den Psychokrieg

Es ist diese Szene, über die Spanien nun wieder diskutiert: José Mourinho, Coach von Real Madrid und der wohl erfolgreichste Verschwörungstheoretiker der Sportwelt, schreitet seelenruhig auf Tito Vilanova zu, den Ko-Trainer des FC Barcelona. Von hinten piekt er ihm kurz mit dem rechten Zeigefinger ins rechte Auge. Mourinho verzieht noch immer keine Miene. Als ihn der Attackierte von hinten schubst, schaut Mourinho etwas erstaunt, um dann sein berühmtes spöttisches Grinsen aufzusetzen. Das alles spielte sich nach dem turbulenten spanischen Supercup ab, den Barça mit 3:2 gewann.

Gestern verkündete der spanische Fußballverband die läppischen Strafen für die Streithähne. Mourinho kommt mehr als glimpflich davon. Er wird für zwei Spiele gesperrt, außerdem muss der Multimillionär 600 Euro Bußgeld zahlen. Sein Kontrahent muss ein Spiel zuschauen und ebenfalls 600 Euro berappen. Darüber regt sich die Presse in Spanien furchtbar auf. „Das Urteil ist lächerlich. Die Gewalt zahlt sich aus“, schreibt die Zeitung La Vanguardia. „Der Verband verhängte eine Strafe, die eigentlich keine ist“, meint das Sportblatt As. Man ist der Meinung, dass der Portugiese, der Fußball gern als Psychokrieg führt, einen Denkzettel verdient, vielleicht gar nicht so sehr für seinen Augenstich, sondern vor allem für den aggressiven Stil, den er den Spielern vermittelt.

In den vergangenen Monaten hatte es eine Vielzahl von Duellen zwischen den Großvereinen Real und Barça gegeben. Da Real den Katalanen spielerisch unterlegen ist, ließ Mourinho seine Mannen Gift und Galle auf dem Rasen versprühen. Selbst ein vergleichsweise sanftmütiger Spieler wie Mesut Özil fletschte plötzlich die Zähne und flog folgerichtig vom Platz. Imponierten Mourinhos Teams (vom FC Porto über den FC Chelsea bis Inter Mailand) vor allem mit taktischen Tricks und Ordnungsfanatismus, so blieb dem 47-jährigen Erfolgstrainer diesmal nur die plumpe Aggro-Tour.

Man kann das nur so verstehen, dass Mourinho, dieser exzellente Spielanalytiker, mit seinem Latein kurzfristig am Ende war und den Befehl zum Holzen gegeben hatte. Dafür hätte Mourinho wahrlich eine höhere Strafe verdient. MARKUS VÖLKER