Aufklärerin aus dem Osten

Die letzten Wochen, so hat es Karola Wille im internen Kreis des MDR-Rundfunkrats erzählt, hätte sie vor allem der Zuspruch ihrer Tochter und ihrer 84-jährigen Mutter bei der Stange gehalten. Von der „Kandidatin der Herzen“, als die sie die Leipziger Bild schon bejubelte, wurde sie in der politverseuchten Schlammschlacht um das höchste Amt beim skandalgeplagten Sender plötzlich zur bösen DDR-Juristin. Bis zuletzt versuchten interessierte Kreise, die 52-Jährige für ihre in der DDR gestartete Karriere zu verhaften. Ohne Erfolg: Schon nächste Woche ist Karola Wille die Chefin des MDR – die dritte Intendantin im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Deutschlands – und die erste aus dem Osten.

Die Herausforderungen für sie sind nicht eben klein: Das Ostalgie- und Schunkelimage des MDR soll abgeschüttelt werden, sie will die Anstalt „für das digitale Medienzeitalter programmlich, strukturell und finanziell zukunftsfähig machen“, sagte Wille nach ihrer Wahl. Das heißt auch, mehr für junge Menschen tun, und weil in der ARD ja ein eigener TV-Jugendkanal auf Widerstand stößt, versucht es Wille eine Nummer kleiner – mit einem Kinderradio.

Doch all solche Programmatik, alles Programm zählt nichts gegen ihre künftige Aufgabe als oberste Aufklärerin in eigener Sache. Skandale hat der MDR genug – vom längst noch nicht ausermittelten Millionenbetrug beim Kinderkanal über die Aktionen des Geldleihers und MDR-Unterhaltungschefs Udo Foht bis zur jüngsten Posse vom für Diktatoren tanzenden MDR-Fernsehballett. Wille war schon bisher Teil der MDR-Leitung – diesen leichten Makel kann sie jetzt nur durch kompromisslose Transparenz loswerden. Mit der Salamitaktik der alten MDR-Führung, die stets nur so viel zugab, wie gerade unvermeidlich schien, muss Schluss sein. Wille hat auch schon gezeigt, dass sie anders agieren kann und will.

Die Neue hat zudem etwas, worauf in den letzten Jahren immer alte Intendanten von ARD und ZDF scharf waren – und oft lange drauf warten mussten: einen Professorentitel. Sogar einen richtigen, schon seit 2002 ist sie Honorarprofessorin für Medienrecht an der Universität Leipzig.

Steffen Grimberg