Gericht verkündet Stoppsignal im Eilverfahren

GRUNDGESETZ Verfassungsgericht verhindert geheim tagendes Gremium zur Euro-Rettung

Die Erfolgsaussichten der Klage lauten, sie sei „nicht offensichtlich unbegründet“

Ein kleines, geheim tagendes Gremium aus neun Abgeordneten sollte über eilbedürftige Maßnahmen zur Eurorettung entscheiden. Das hatte der Bundestag am 21. September beschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hat solche Beschlüsse nun bis auf Weiteres verboten. Auf Antrag der SPD-Abgeordneten Peter Danckert und Swen Schulz erließ Karlsruhe gestern eine einstweilige Anordnung.

So schnell mahlen die Mühlen in Karlsruhe sonst nicht. Erst am Mittwoch war das Neuner-Gremium im Bundestag gewählt worden. Ihm gehören drei Abgeordnete der CDU/CSU, je zwei Vertreter von SPD und FDP sowie ein Linker und eine Grüne an. Einen Tag später, am Donnerstag, klagten die beiden SPD-Abgeordneten, die ihre parlamentarischen Rechte verletzt sahen. „Eilt sehr!“ stand auf ihrem Schriftsatz, der offensichtlich angekündigt war. Denn schon am Donnerstagnachmittag trat in Karlsruhe der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts zur nichtöffentlichen Beratung zusammen, manche Richter waren extra angereist. Am nächsten Morgen verkündete das Gericht sein Stoppsignal.

Dabei wäre am Freitag noch gar nichts Dramatisches passiert. Das Neuner-Gremium wollte sich nur konstituieren, es hätte einen Vorsitzenden gewählt, mehr nicht. Es hätte jedenfalls noch keine Beschlüsse gefasst, also keine Kredite oder Garantien abgesegnet. Die Richter wollten offenbar ganz sicher gehen, dass in den nächsten Tagen keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, schließlich kann durch die Dynamik der derzeitigen Eurokrise tatsächlich binnen weniger Stunden neuer Rettungsbedarf entstehen.

Der Karlsruher Eilbeschluss ist noch keine Entscheidung in der Sache. Er enthält nur eine sogenannte Folgenabwägung. Zu den Erfolgsaussichten der Klage heißt es nur, sie sei „nicht offensichtlich unbegründet“. Aber man kann davon ausgehen, dass die Richter nur deshalb so viel Wind machen, weil sie das Neuner-Gremium für verfassungswidrig halten.

Ganz offen ist allerdings noch, was die Richter stattdessen verlangen werden. Ob sie auf einer Entscheidung aller 620 Abgeordneten im Plenum bestehen oder ob sie eine Beschlussfassung durch den 41-köpfigen Haushaltsausschuss ausreichen lassen.

Im Urteil über den Euro-Rettungsschirm, das am 7. September verkündet worden war, hatten die Richter den Haushaltsausschuss genügen lassen. Das aber dürfte nicht einfach übertragbar sein. Denn damals ging es um Entscheidungen, die schon weitgehend durch das Gesetz vorgeprägt waren.

Im Bundestag äußerten sich gestern gewichtige Stimmen, die sich für eine Beschlussfassung im Haushaltsausschuss aussprachen, wie etwa Peter Altmaier, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU, und der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider. Das Plenum sei für derartige eilige und vertrauliche Beschlüsse ungeeignet, sagte Schneider. Bis auf Weiteres ist nun aber erst mal das Plenum für Kreditzusagen und Garantien zuständig.

Das Bundesverfassungsgericht strebt eine endgültige Entscheidung noch in diesem Jahr an. Möglich ist dies aber nur, wenn alle Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung verzichten. CHRISTIAN RATH