Wahlloser Beschuss, keine Ärzte

HOMS Menschenrechtsorganisation berichtet über Folgen der Angriffe der syrischen Armee auf Wohnviertel: 700 Tote, 640 Gebäude beschädigt

BERLIN taz | Seit Beginn der Offensive der syrischen Armee gegen die Oppositionshochburg Homs am 3. Februar sind dort etwa 700 Menschen getötet und Tausende verletzt worden. Diese vorläufige Bilanz zieht die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in einem Bericht, der am Freitagabend veröffentlicht wurde. Er basiert auf den Aussagen von 15 Einwohnern der Stadt, die in den vergangenen zwei Wochen geflohen sind, sowie den Angaben zweier ausländischer Journalisten, die sich während der Angriffe zeitweise im Stadtviertel Baba Amr aufhielten.

Alle von HRW befragten Zeugen gaben übereinstimmend an, dass der Beschuss morgens um 6.30 Uhr begann und bis zum Sonnenuntergang nicht nachließ. Die Angriffe seien auch nachts weitergegangen, aber mit verminderter Intensität. Eine ausländische Journalistin berichtete, sie habe am 6. Februar 200 Explosionen binnen zwei Stunden gezählt. Ein anderer Reporter sprach von 55 Explosionen innerhalb einer Viertelstunde am 16. Februar.

Die Journalistin beschrieb eine behelfsmäßige Klinik, die sie am 6. Februar besuchte: „Es war ein Zimmer und ein Gang. Da lagen drei Personen, die von Schüssen durchsiebt waren, außerdem gab es ein Dutzend Verwundete, aber keine Ärzte; nur zwei Krankenschwestern, die versuchten zu helfen. Sie haben um Hilfe gerufen und dann kamen Verwandte der Verletzten und versuchten zu helfen. Sie konnten immer nur zwei Personen auf einmal helfen.“ Viele konnten nicht behandelt werden und starben. Ein Freiwilliger, der half, Patienten zu transportieren, bis er selbst verwundet wurde und in den Libanon gelangte, sagte: „Zu Beginn konnten wir die Verletzten nachts aus Baba Amr bringen. Aber in den letzten zwei Wochen wurde das fast unmöglich. Bei jedem Versuch, Verletzte zu evakuieren, wurden mindestens zwei oder drei Helfer angeschossen oder getötet.“

Laut HRW geht aus Satellitenaufnahmen von Homs hervor, dass 640 Gebäude in Baba Amr beschädigt sind, zudem seien 950 Einschusskrater zu sehen. Etwaige seitliche Treffer an Hauswänden seien nicht erkennbar. Die Menschenrechtler weisen darauf hin, dass es auch bewaffnete Angriffe seitens oppositioneller Kräfte und Gefechte gab. Dies rechtfertige jedoch in keinster Weise die Art und das Ausmaß des Angriffs der Armee auf das Wohnviertel, ebenso wenig wie die Weigerung der syrischen Regierung, den Bewohnern von Baba Amr einen sicheren Abzug zu garantieren. B.S.