Die erfolgreiche Attacke des Friedensaktivisten

VORSTAND Gegen den Plan der Parteiführung kandidiert Tobias Pflüger vom linken Flügel – und gewinnt

BERLIN taz | Der Plan war klar. Als neue StellvertreterInnen sollten die Westlinke Janine Wissler und der Ostpragmatiker Dominic Heilig in den Vorstand der Linken aufrücken. West-Ost, links-rechts – eine austarierte Parteispitze. Doch es kam anders.

Tobias Pflüger, schwäbischer Friedensaktivist vom linken Flügel, kandidierte. Parteichef Bernd Riexinger hatte versucht, Pflüger von der Bewerbung abzuhalten – vergeblich. Pflüger, unterstützt von Sahra Wagenknecht, wetterte, dass Deutschland „immer mehr Kriege“ führen wolle – und landete mit 54 Prozent vor Heilig, der zum „Forum demokratischer Sozialismus“ (FdS) gehört.

Die FdS-Pragmatiker sind es gewohnt, auf Parteitagen zu verlieren. Doch dieser Schlag traf. Die Realos beantragten eine Auszeit. Offenbar stand zur Debatte, ob der FdS-Mann und Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn seine Kandidatur zurückzieht. Das hätte Zoff bedeutet, Ende des innerparteilichen Stillhalteabkommens, das seit dem Parteitag 2012 gilt. Doch Höhn trat, sichtlich zerknirscht, doch an.

Erstaunlich ist das Vize-Wahlergebnis angesichts der Zusammensetzung der Delegierten: Zwei Drittel kommen aus dem Osten, ein Drittel aus dem Westen. Doch auch der Osten tickt bei den Themen Frieden und Russland anders. Dazu kommt ein Problem, das die Ostpragmatiker ratlos macht. Die Ost-Linken machen in Kommunen und in Landesparlamenten konkrete Politik. Mit Erfolg. 2014 kann die Partei in Brandenburg und Sachsen auf Erfolge bei den Landtagswahlen hoffen, in Thüringen sogar mit Bodo Ramelow auf den ersten Linkspartei-Ministerpräsidenten. Doch jenseits der Landespolitik erlahmen die politischen Leidenschaften der Ost-GenossInnen schnell. „Die verhalten sich“, so ein Realo, „wie Gewerkschafter.“ Vor Ort handele man pragmatisch, und „auf dem Gewerkschaftstag applaudiert man radikalen Reden“. Die Reformsozialisten sind oft unfähig, bei entscheidenden Fragen die Mehrheit hinter sich zu bringen.

Axel Troost, keynesianischer Wirtschaftsexperte und flügelübergreifend anerkannt, setzte aufs Symbolische. Um nicht „als gefühlloser Ökonom“ wahrgenommen zu werden, so Troost in seiner Bewerbungsrede für einen der vier Vizeposten, wolle er ein Zeichen setzen. Dann warf er eine bunte Friedensfahne über das Rednerpult. Die Geste hatte Erfolg. Er bekam 55 Prozent der Stimmen und ist nun neben Caren Lay, Janine Wissler und Tobias Pflüger stellvertretender Vorsitzender. STEFAN REINECKE