Bei Arbeitslosigkeit Ausweisung

ZUWANDERUNG Die Bundesregierung diskutiert Einschränkung des Aufenthaltsrecht von EU-Ausländern

VON TOBIAS SCHULZE

BERLIN taz | Die Bundesregierung diskutiert Möglichkeiten, das Aufenthaltsrecht für arbeitslose EU-Bürger zu begrenzen. Wer nach sechs Monaten keinen Job hat, soll das Land verlassen; wer sein Aufenthaltsrecht mit falschen Angaben erschleicht, soll ein Einreiseverbot von bis zu fünf Jahren erhalten. Ein entsprechendes Gesetzespaket will das Kabinett nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 26. August beschließen.

Die Pläne stammen demnach aus dem Abschlussbericht eines Staatssekretärsausschusses, den Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Stellvertreter Sigmar Gabriel im Januar einberufen hatten. Die CSU hatte zuvor unter dem Slogan „Wer betrügt, der fliegt“ strengere Maßnahmen gegen Einwanderer und vermeintliche Sozialbetrüger aus Bulgarien und Rumänien gefordert und damit innerhalb der Koalition für Unruhe gesorgt.

Um den Streit zu entschärfen, sollten die Staatssekretäre konkrete Maßnahmen aushandeln. Schon in den vergangenen Monaten kursierten teils umstrittene Vorschläge des Gremiums. Der FAZ zufolge sollen diese nun tatsächlich Gesetz werden.

Dass EU-Ausländer zur Arbeitssuche in der Regel nur sechs Monate lang in Deutschland bleiben dürfen, entspricht weitestgehend schon heute der Rechtsprechung. Offenbar soll dieser Grundsatz nun auch im Freizügigkeitsgesetz festgeschrieben werden. Einschneidender würde die Ausweitung der Wiedereinreisesperren ausfallen: Bisher kann EU-Ausländern die Einreise verboten werden, wenn sie in Deutschland etwa schwere Straftaten begangen haben.

So dürfen verurteilte Mörder Deutschland nach ihrer Ausweisung oft mehrere Jahre lang nicht wieder betreten. Dies könnte in Zukunft auch Zuwanderern drohen, die beim Antrag der Aufenthaltsbescheinigung schummeln. Zudem sollen Eltern künftig die Steueridentifikationsnummern ihrer Kinder vorlegen, um Kindergeld zu erhalten. Doppelt abkassieren könnten dann niemand mehr.

In der Opposition stoßen die Pläne auf Kritik. „Die Vorschläge, die ich kenne, sind mit europäischem Recht nicht ohne Weiteres vereinbar“, sagte Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der Grünen, im Gespräch mit der taz. Einreisesperren seien nur für Schwerkriminelle zulässig, für alles andere müsse in Brüssel EU-Recht geändert werden.

„Gegen Betrugsprävention beim Kindergeld habe ich nichts“, sagte Beck zudem. Beweise für Fälle, in denen Migranten aus Bulgarien, Rumänien oder anderen EU-Staaten Kindergeld erschlichen haben, gebe es aber kaum. Dagegen habe der Bundesrechnungshof vor einigen Jahren nachgewiesen, dass Hunderte deutsche Beamte doppelt Kindergeld kassiert hätten. „Daran hatten bestimmt nicht Bulgaren und Rumänen Schuld.“

Auch der Deutsche Städtetag kritisiert die Pläne. „Sozialmissbrauch ist nicht das Kernproblem, mit dem die deutschen Städte zu tun haben“, sagte der Nürnberger Oberbürgermeister und Städtetagspräsident Ulrich Maly (SPD) am Dienstag. Ausdrücklich lobte er aber ein anderes Vorhaben der Regierung: Laut FAZ will sie den Kommunen 25 Millionen Euro überweisen, um die Folgen der Zuwanderung zu bewältigen und Migranten zu unterstützen. Finanzielle Hilfe hatte der Städtetag bereits im Februar 2013 gefordert und so die Debatte um Einwanderer aus den EU-Staaten Bulgarien und Rumänien befeuert.

Auch Sören Link (SPD), Oberbürgermeister von Duisburg, freut sich über das Geld, das nun in Aussicht steht. Duisburg ist Ziel besonders vieler Migranten aus Südosteuropa. Link mahnte daher, die 25 Millionen Euro mit Sorgfalt zu verteilen. Es müssten vor allem die „von der Armutszuwanderung betroffenen Städte“ entlastet werden.

Ob die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, bleibt vorerst offen: Unter Umständen muss der Bundesrat zumindest Teilen des Pakets zustimmen. Dort hat Schwarz-Rot keine Mehrheit. Grüne Regierungspolitiker aus den Ländern ließen am Dienstag offen, ob sie dem Vorhaben zustimmen würden.