Brennende Kabel stoppen auch die letzten Züge

BAHN II Anschläge auf Kabelschächte führen zu Zugausfällen. Bekennerschreiben verweist auf militante Atomkraftgegner als Urheber

GÖTTINGEN taz | Der Lokführerstreik war noch im Gange, als der Bahn neues Ungemach widerfuhr. In der Nacht zu Samstag verübten Unbekannte in Bremen, im niedersächsischen Bad Bevensen sowie in der brandenburgischen Prignitz Brandanschläge auf Kabelschächte des Unternehmens. Die Aktionen haben vermutlich einen politischen Hintergrund. Im linksradikalen Internet-Infodienst indymedia bekannten sich „autonome Gruppen“ zu der Sabotage. Ziel sei es gewesen, das Streckennetz zu stören und dem Unternehmen Schaden zuzufügen.

Das ist zumindest teilweise gelungen. In Bremen wurden der Polizei zufolge gleich an zehn Stellen die Betonplatten von den Kabelschächten entfernt, anschließend legten die Täter dort Feuer. In Bad Bevensen seien zeitgleich zwei Kabelschächte in Brand gesetzt worden. Auch bei Wittenberge öffneten die Täter einen Kabelschacht und zündeten ihn an.

Der Bahn zufolge fielen mehrere Stellwerke über Stunden aus. Auch der Funkverkehr zu den Zügen sei teilweise zusammengebrochen, Lokführer hätten auf Sicht fahren müssen. In Norddeutschland sei es deshalb auch am Sonntag nach dem Ende des Streiks zu Zugausfällen und Verspätungen gekommen.

Wie der NDR berichtete, hatten die Brandanschläge auch Auswirkungen auf das Mobilfunknetz von Vodafone, da in den Schächten der Bahn Kabel des Mobilfunkanbieters verlaufen. Knapp 70.000 Kunden im Großraum Bremen-Oldenburg waren demnach zeitweise ohne Netz.

In ihrer Erklärung halten sich die mutmaßlichen Täter nicht lange mit einer Begründung auf. Das Verhältnis militanter Umweltaktivisten zur Deutschen Bahn sei „unseres Erachtens“ der Öffentlichkeit bekannt. „Daher sparen wir uns den investigativen Teil und kommen gleich zum Punkt“.

Die Aktion solle an den französischen AKW-Gegner Sébastian Briat erinnern. Der 21-Jährige war am 7. November 2004 bei Protesten gegen einen Castortransport nach Gorleben ums Leben gekommen. Gemeinsam mit einer Gruppe hatte Briat versucht, den Atommüllzug zu blockieren. Er wurde dabei neben den Gleisen vom Fahrtwind der heranrasenden Lokomotive erfasst, schwer verletzt und starb noch an der Unfallstelle.

Wegen mehrerer Fehler auch der Aktionsgruppe sowie technischer Pannen – so funktionierte ein Funkgerät nicht – war der Lokführer nicht vorgewarnt, als er mit fast 100 Stundenkilometern vorbeifuhr. Aus Sicht der Bahn-Saboteure war der Unfall hingegen „verschuldet von den politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen und ihren bezahlten Söldnerbanden“.

Anschläge auf die Bahn haben im Widerstand gegen AKWs und insbesondere gegen Castortransporte durchaus Tradition. So rissen Militante mehrmals Oberleitungen mit Wurfankern herunter oder lösten Schrauben von Gleisen. Menschen kamen dabei bisher nicht zu Schaden, gleichwohl sind solche Aktionen in der Anti-AKW-Bewegung umstritten. Wegen der Anschläge vom Wochenende ermittelt der Staatsschutz. REIMAR PAUL