STADTGESPRÄCH
: „Ich hätte sie umgebracht“

EIN BRUTALES KINDERMÄDCHEN EMPÖRT IN UGANDA MITTELSCHICHT-ELTERN. SELBSTKRITIK IST NICHT ANGESAGT

Die Ugander ertragen den tagtäglichen Wahnsinn in der Regel mit Gelassenheit, ob stundenlanges Im-Stau-stehen oder tagelangen Stromausfall. Protest? Das gehört sich irgendwie nicht. Und jetzt das. Ein Aufschrei ohnegleichen. Auf Facebook, Twitter, in Zeitungen, Radio, Fernsehen – die Ugander gehen auf die Barrikaden.

Der Grund: Ein YouTube-Video zeigt, wie ein Kindermädchen ein Kleinkind füttert, doch es will nicht essen. Sie schlägt kräftig zu. Das Kind kotzt vor Entsetzen. Daraufhin wirft die füllige Frau die Kleine auf den Boden, schnappt sich eine Taschenlampe und drischt damit auf das Kind ein. Zuletzt kickt sie das Baby, bis es entsetzlich schreit.

Noch krasser ist jedoch die Reaktion der Ugander: „Jemand muss hier öffentlich ausgepeitscht werden, bis ihre Haut blutet für das, was sie diesem kleinen Kind angetan hat. Wenn dies mein Kind gewesen wäre, hätte ich sie umgebracht!“, so eine Mutter von drei Kindern. Ein Vater von ebenfalls drei Kindern schreibt: „Barmherziger Gott, bitte vergib mir, aber ich bin kurz davor, einen Mord zu begehen. Ich werde dieses Kindermädchen auf brutalstem Wege in die Hölle schicken, langsam, langsam, langsam … auf bestialische Weise, sehr langsam!“

Die meisten Kommentare stammen von Eltern aus der schnell wachsenden Mittelschicht. In diesen Kreisen ist es Standard, ein Hausmädchen zu haben, das rund um die Uhr anwesend ist, kocht, putzt, wäscht und die Windeln wechselt.

Die Nannys stammen oft aus der entfernten Verwandtschaft, aus dem Heimatdorf eines Elternteils. Viele sind nur wenige Jahre zur Schule gegangen, verdingen sich für wenig Geld, werden zu Haussklaven in der Großstadt. Ob sie für die Erziehung von Kleinkindern geeignet sind, wird nicht hinterfragt. Für die Eltern ist das ja sehr bequem, es gibt ihnen die Freiheit, nach Feierabend noch mit Freunden ein Bier zu trinken oder was auch immer an Vergnügen ansteht. Dass die Kinder währenddessen stundenlang fernsehen, mit Chips und Pizza abgefüttert oder gar gefoltert werden, wird gern übersehen.

Doch zu einer Debatte über die Mitverantwortung der Mittelschicht kommt es nicht. Denn wie immer, wenn in Uganda etwas schiefläuft, mischt sich das Regime ein. In der Regel Polizei oder Militär. Auch jetzt wird hart durchgegriffen: Das Kindermädchen wurde schnurstracks angeklagt wegen Folter und versuchten Mordes. Nächste Woche ist der erste Gerichtstermin. Ein Wunder! Normalerweise dauert es Monate bis zur Verhandlung.

Polizeichef Kale Kayihura hat angeordnet, alle Hausangestellten zu überprüfen. Jedes Hausmädchen brauche eine polizeiliche Lizenz. Man werde sie in Zukunft in Sachen Menschenrechte schulen. Regierungsangehörige fordern mehr Kindergärten am Arbeitsplatz, damit sich die Eltern nicht auf Kindermädchen verlassen müssen. Der Jugendminister will sofort per Gesetz die Einstellung von Babysittern regulieren. Doch jeder weiß: Das dauert alles ewig, falls die Ideen überhaupt umgesetzt werden.

Eine regierungskritische Zeitung druckte ein Foto von einem Kleinkind in Windeln, das über den Gartenzaun krabbelt, mit der Bildzeile: „Kinder auf der Flucht vor dem Hausmädchen“.

SIMONE SCHLINDWEIN AUS KAMPALA