Wann ist Suizidhilfe zulässig?

RECHT Parlamentarier, Juristen und Mediziner diskutieren über ein neues Strafgesetz, das restriktiver werden könnte

BERLIN taz | Der Bundestag will in diesem Jahr über ein neues Strafgesetz zur Sterbehilfe entscheiden. Auslöser der Debatte waren Sterbehilfevereine wie der des Hamburger Ex-Justizsenators Roger Kusch, die ihren Mitgliedern Unterstützung beim Suizid anbieten.

In Deutschland ist der Suizid straffrei. Derzeit wird auch niemand dafür bestraft, dass er anderen hilft, sich das Leben zu nehmen. Das heißt: Solange die Tatherrschaft bei der Person bleibt, die sterben möchte, ist Hilfe zulässig. Genau das könnte sich ändern. Künftig könnte bestraft werden, wer einem Sterbewilligen das todbringende Medikament bloß zur Selbsteinnahme überlässt. Dagegen soll sich am bestehenden strafrechtlichen Verbot der aktiven Sterbehilfe, also der Tötung auf Verlangen, nach dem Willen der Parlamentarier nichts ändern.

Im Bundestag haben sich mehrere fraktionsübergreifende Gruppen gebildet, die ihre Anträge im Juli zur ersten Lesung einbringen wollen. Eine Gruppe um den Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und die SPD-Abgeordnete Kerstin Griese strebt ein komplettes Verbot organisierter – sogenannter geschäftsmäßiger – Hilfe beim Suizid an und vertritt damit die restriktivste Position. Eine zweite Gruppe um den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach und den CDU-Bundestagsvizepräsidenten Peter Hintze wünscht ebenfalls ein strafrechtliches Verbot, will aber Angehörigen und Ärzten die Hilfe beim Suizid ausdrücklich erlauben. Dies ist den Medizinern bislang durch das Standesrecht in mehreren Bundesländern verboten.

Eine dritte Gruppe um die Grünen-Abgeordnete Renate Künast spricht sich für eine weitere Zulässigkeit der Sterbehilfeorganisationen unter festgelegten Bedingungen aus. Bei der abschließenden Abstimmung im November soll, wie bei bioethischen Debatten üblich, kein Fraktionszwang gelten.

Unterdessen haben sich in dieser Woche rund 140 Strafrechtswissenschaftler um die Juraprofessoren Eric Hilgendorf (Würzburg) und Henning Rosenau (Augsburg) in einer Resolution gegen die Strafbarkeit des assistierten Suizids „aus verfassungsrechtlichen und medizinethischen Gründen“ ausgesprochen. Auch der Vorsitzende Richter des 2. Strafsenats beim Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, gehört zu den Unterzeichnern. „Mit der Strafbarkeit des assistierten Suizids würde die in den letzten Jahren erreichte weitgehende Entkriminalisierung des sensiblen Themas Sterbehilfe konterkariert“, warnen die Juristen. Das geltende Polizei- und Strafrecht stelle „hinlänglich“ Mittel zur Verfügung, um gegen Aktivitäten vorzugehen, bei denen die Freiverantwortlichkeit des Suizids nicht hinreichend geprüft werde. Die Autoren halten es für „verfehlt“, durch eine Ausweitung des Strafrechts „auch solche Tätigkeitsfelder in einen Graubereich möglicher Strafbarkeit zu ziehen, die – wie das Arzt-Patienten-Verhältnis – auf Vertrauen gründen“. HEIKE HAARHOFF