Marilyn Mosby ist die Heldin von Baltimore

JUSTIZ Eine Staatsanwältin hat die Anklage gegen sechs Polizisten durchgesetzt – und wird nun von der Gewerkschaft angefeindet

BALTIMORE taz | Die 35-jährige afroamerikanische Juristin Marilyn Mosby ist erst Ende vergangenen Jahres in allgemeinen Wahlen zur Staatsanwältin gewählt worden. Jetzt hat sie in ihrem ersten großen Fall im neuen Amt schneller und weitgehender durchgegriffen, als irgendjemand erwartet hatte. In einem Land, wo Polizeigewalt gewöhnlich zur Einstellung der Verfahren führt, hat sie Anklage gegen alle sechs an der Verhaftung von Freddie Gray beteiligten Polizisten erhoben. Im Falle einer Verurteilung drohen Strafen von bis zu 30 Jahren Gefängnis.

In einer von großen TV-Sendern live übertragenen Rede beschrieb Mosby am Freitag Punkt für Punkt, was bei der internen polizeilichen Untersuchung und bei ihren eigenen Ermittlungen über den Tod von Freddie Gray herausgekommen ist. Mosby sagte: „Niemand steht über dem Gesetz.“ Sie schlug einen großen Bogen, der mit einer Beileidserklärung an die Familie des Toten begann und im Dank an die Polizei und an die Jugend gipfelte. Letzteren versprach sie, nach Gerechtigkeit zu suchen, und versicherte: „Dies ist unser Moment“.

Auf den Straßen von Baltimore und bei Bürgerrechtlern hat Mosby auf einen Schlag Heldinnenstatus erlangt. Die mächtige Polizeigewerkschaft Fraternal Order of Police (FOP) hingegen ging sofort in den Angriffsmodus. Baltimores FOP-Chef Gene Ryan nannte ihre Anklage „überstürzt“, bezeichnete seine Polizisten als „unschuldig“ und verlangte, dass Mosby den Fall als befangen abgibt. Als Grund dafür nannte er ihre Ehe mit einem Lokalpolitiker und die Unterstützung, die sie in ihrem Wahlkampf vom Anwalt der Gray-Familie bekommen hat.

Noch vergangenes Jahr hatte die Gewerkschaft den Wahlkampf der angehenden Staatsanwältin unterstützt. Dafür sorgte nicht zuletzt, dass Mosby aus einer PolizistInnenfamilie stammt. DOROTHEA HAHN