Schlamperei oder Komplott?

FEHLERSUCHE Deutsche Regierungsstellen prüften wochenlang, ob nach dem ägyptischen Journalisten Mansur gefahndet werden darf

AUS BERLIN CHRISTIAN RATH

Ahmed Mansur beschuldigt deutsche Regierungsvertreter, sie hätten sich vom ägyptischen Regime instrumentalisieren lassen. Der regierungskritische ägyptische Journalist, der für den arabischen TV-Sender al-Dschasira arbeitet, war am Samstag auf dem Flughafen Tegel festgenommen worden. Grundlage war ein Fahndungsersuchen im deutschen Polizei-Informations-System Inpol, das wiederum auf einem ägyptischen Haftbefehl beruhte.

Kurz vor seiner Abreise aus Deutschland trat Mansur gestern mit seinen drei Anwälten Patrick Teubner, Fazli Altin und Andreas Wattenberg in Berlin vor die Presse. Am Montag war er aus der Haft entlassen worden. Die Anwälte sagten Mansur sei gut behandelt worden. Die Festnahme an sich sei juristisch nachvollziehbar, zweifelhaft sei die Vorgeschichte, dass in Deutschland überhaupt nach Mansur gefahndet wurde. „Es ist schwer vorstellbar, dass hier lediglich geschlampt wurde“, sagte Anwalt Teubner.

Wer entschied, dass hier nach Mansur gefahndet wird?

Formal hat das Bundeskriminalamt die Daten Mansurs bei Inpol eingegeben. In politisch heiklen Fällen muss das BKA aber laut BKA-Gesetz das Bundesjustizministerium nach einer Erlaubnis fragen (Paragraf 15). Das Justizministerium hat diese Entscheidungen allerdings generell auf das Bonner Bundesamt für Justiz delegiert, das wiederum generell das Außenministerium einbezieht. Das Bundesamt für Justiz soll sicherstellen, dass rechtsstaatlich alles korrekt abläuft. Das Auswärtige Amt soll seine Kenntnis über die Verhältnisse vor Ort einbringen. Die beiden Regierungsstellen haben den Fall vom 13. November bis 27. Januar geprüft. Die meiste Zeit lagen die Akten beim Auswärtigen Amt.

Welche Unterlagen lagen den Regierungsstellen vor?

Sie kannten das Fahndungsersuchen der ägyptischen Regierung. In deutscher Sprache werden dort auf nur rund 15 Zeilen Handlungen beschrieben, die Mansur vorgeworfen werden. So soll er 2011 in der Innenstadt von Kairo einen ägyptischen Rechtsanwalt gefoltert und vergewaltigt haben. Er soll ein für Folter geeignetes Gerät besessen haben. Er soll ohne Erlaubnis in ein Gebäude eingedrungen sein.

Außerdem soll er „falsche Meldungen verbreitet“ haben, um – sinngemäß – die öffentliche Sicherheit zu stören und der Gesellschaft Schaden zuzufügen.

„Wenn solche Aussagen in einem Fahndungsersuchen stehen, müssen alle Alarmglocken läuten“, kritisiert Anwalt Wattenberg. Für politische Vorwürfe spricht auch, dass es sich um Handlungen während des „ägyptischen Frühlings“ handelte, als der Tahrirplatz monatelang von Bürgern besetzt war.

Zwar wurde nirgends erwähnt, dass Mansur Journalist ist, doch eine Google-Recherche hätte dies schnell ergeben. Die Experten im Auswärtigen Amt hätten den berühmten TV-Journalist ohnehin kennen müssen.

Aus Regierungskreisen heißt es jetzt: „Aus den ersten von Ägypten übermittelten Ersuchen ging weder eine Tätigkeit von Ahmed Mansur als bekanntem Journalist noch ein offensichtlicher politischer Hintergrund hervor, der für die bearbeitende Ebene erkennbar gewesen wäre.“

Welche Rolle spielte hier Interpol?

Die ägyptische Regierung verteilte ihren Haftbefehl am 2. Oktober 2014 weltweit über die Kanäle von Interpol, der internationalen Polizeiorganisation. Am 20. Oktober stellte Interpol klar, dass Ägypten die Interpol-Kanäle hierfür nicht hätte nutzen dürfen, weil es sich um eine politische Strafverfolgung handele. Dies wurde auch dem BKA mitgeteilt, auch dem Bundesamt für Justiz (BfJ) und dem Auswärtigen Amt lag diese Information vor.

Das BfJ hat angeordnet, dass in Fällen, bei denen Interpol eine politische Strafverfolgung vermutet, das Bundesamt für Justiz künftig den Fall dem Ministerium vorlegen muss

Was spricht für eine Intervention Ägyptens?

Mansur ist bereits im Februar nach Deutschland ein- und ausgereist. Ohne Probleme – ebenso bei der Einreise vorige Woche. Nach seinen Angaben hat er jedes Mal seinen britischen Pass benutzt. Erst bei der Ausreise am Samstag wurde er festgenommen. Vorher wurde am Mittwoch seine Sendung live ausgestrahlt, empfangbar in Ägypten.

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