"Tag der Menschenrechte" in China: Polizei beendet Protest vor Außenamt

Hunderte chinesische Intellektuelle haben einen Forderungskatalog zu Menschenrechten vorgelegt. Vor dem Außenministerium kam es zu Protesten.

Protest unerwünscht: Polizisten führen Demonstrantin vor Außenministerium ab. Bild: ap

Vor Chinas Außenministerium in Peking haben am gestrigen "Internationalen Tag der Menschenrechte" knapp eine halbe Stunde lang mehrere Dutzend Menschen demonstriert. Dann wurden sie von der Polizei in einem Bus abtransportiert. Die Nachrichtenagentur AP sprach von "zwei Dutzend" Demonstranten, der britische Sender BBC von "etwa 40". Nach diesen Quellen sollen es überwiegend Petitionssteller gewesen sein.

Sie fühlen sich von lokalen Behörden unfair behandelt und beschweren sich deshalb bei den staatlichen Petitionsbüros. Diese sind eine noch aus der Kaiserzeit stammende Einrichtung, die für die Zentralregierung eine Ventil- wie Frühwarnfunktion hat. Aus Angst vor Sanktionen versuchen lokale Kader oft zu verhindern, dass sich Bürger bei diesen höheren Stellen beschweren. Vor dem Außenministerium haben Petitionssteller noch nie protestiert. Das Ministerium arbeitet zurzeit einen Menschenrechtsaktionsplan aus. Die Protestierenden kritisieren, dass daran keine Bürger beteiligt sind.

Eine Demonstrantin hielt eine Kopie der chinesischen Verfassung hoch, die sich zu den Menschenrechten bekennt. Eine andere Demonstrantin trug ein Schild "Schützt die Menschenrechte". Andere hielten Fotos von Angehörigen, die in Arbeitslagern misshandelt worden sein sollen. "Es gibt keine Menschenrechte in China", sagte Yang Guilin aus der Provinz Shanxi. "Ich möchte mein Land, ich möchte Nahrung." Sie klagte, sie habe keine Entschädigung erhalten, nachdem ihr Haus 2004 abgerissen worden sei. Der Pekinger Zhang Zhenxin machte nach eigenen Angaben seit zehn Jahren vergeblich Eingaben, nachdem auch er sein Haus verlor.

Am Dienstag hatten mehr als 300 chinesische Intellektuelle, Dissidenten und Wissenschaftler in einer im Internet veröffentlichten Erklärung politische Reformen zum Schutz der Menschenrechte sowie eine Demokratisierung des politischen Systems gefordert. Die "Charta 08" genannte Erklärung listet 19 Forderungen auf, darunter Gewaltenteilung, eine unabhängige Justiz, freie Wahlen, Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, den Schutz des Privateigentums sowie der Umwelt, die Umwandlung der Volksrepublik in eine föderale Republik sowie die Einrichtung einer Wahrheitskommission zur Aufarbeitung vergangenen Unrechts.

Die vom Netzwerk Chinese Human Rights Defenders veröffentliche Erklärung orientiert sich an der tschechoslowakischen "Charta 77". Im Januar 1977 hatten im damals kommunistisch regierten Prag 242 tschechische und slowakische Intellektuelle eine Menschenrechtspetition veröffentlicht, die sich auf die KSZE-Schlussakte von Helsinki berief. Die Unterzeichner bildeten den Kern einer aus der Charta entstehenden Bürgerrechts- und Oppositionsbewegung.

Unter den chinesischen Unterzeichnern der "Charta 08" sind zahlreiche prominente Querdenker: die Exprofessorin Ding Zilin, die eine Gruppe von Angehörigen von Massakeropfern leitet, das frühere ZK-Mitglied Bao Tong, die Schriftstellerin und Umweltaktivistin Dai Qing, der vergangene Woche mit dem Petra-Kelly-Preis der Heinrich-Böll-Stiftung ausgezeichnete Anwalt Zhang Sizhi, der Juraprofessor He Weifang, der Ökonom Mao Yushi und der Vorsitzende des chinesischen PEN-Clubs, Liu Xiaobo.

Liu, der bereits nach dem Tiananmen-Massaker 1989 für 20 Monate im Gefängnis saß, ist Montagnacht wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Charta festgenommen worden. Am Mittwoch kritisierte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin Lius Festnahme. Der Aktivist Zhang Zhua, der die Charta mitinitiierte, kam am Dienstag nach zwölfstündiger Festnahme wieder frei.

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