Harte Drogenpolitik als Wahlkampfinstrument

ÖSTERREICH Die konservative Innenministerin zieht plötzlich gegen die Substitutionspolitik zu Felde

AUS WIEN RALF LEONHARD

„Suchtkranke Menschen gehören zum Arzt und nicht auf eine Polizeistation.“. Verärgert reagierte Österreichs Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) am Donnerstag auf einen Vorstoß von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), den Umgang mit Süchtigen zu verschärfen. Die Substitutionstherapie, die es Drogenabhängigen erlaubt, ein weitgehend normales Leben zu führen, habe sich bewährt. Stöger weiß auch die Medizin auf seiner Seite. Praktisch kein Experte befürwortet kalten Entzug und Kriminalisierung.

Mikl-Leitner, die auf Abstinenz statt Substitution setzen will, verweist auf einen tatsächlich existierenden Handel mit Ersatzdrogen. Während der ersten Zeit müssen die Abhängigen die Mittel aber unter Kontrolle einnehmen. Über 16.000 Drogenabhängige bekommen in Österreich zum Teil seit Jahren Substitutionsmittel für Opiate. Die geringe Publizität der Maßnahme, die vor allem dazu dienen soll, die Abhängigen in ihrem beruflichen und gesellschaftlichen Zusammenhang zu halten, ist Teil der Strategie. Denn gerade das Drogenthema eignet sich für populistische Wahlkämpfe. So ist es wohl kein Zufall, dass die Innenministerin die Drogenpolitik jetzt entdeckt. Von März bis Mai werden vier Landtage neu gewählt, im Herbst steht die Nationalratswahl an. Die konservative ÖVP will sich mit dem Thema Sicherheit profilieren.

Schon im Januar hatte Mikl-Leitner angeregt, mit flächendeckenden Haartests bei Jugendlichen zu prüfen, wer Drogen konsumiert. Auch das hält die Fachwelt für kontraproduktiv, da so Erstkonsumenten oder jene, die von Abhängigkeit weit entfernt sind, kriminalisiert würden. Dass die Vorstöße der Ministerin eher dem Wahlkampf als dem Bemühen um eine sachliche Debatte geschuldet sind, lässt sich daran erkennen, dass Mikl-Leitner auch innerparteilich isoliert ist. ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger distanziert sich, und auch die Experten anderer Bundesländer machen nicht mit. So wundert sich ÖVP-Gesundheitslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder (Steiermark), warum man von einer Substitutionstherapie abgehen sollte, die die Todesrate Süchtiger deutlich gesenkt habe. Auch die Beschaffungskriminalität sei zurückgegangen.