Kirgisiens Kohlekönig droht mit Aufstand

Nationalist stellt Regierung Ultimatum. Sollte die nicht handeln, will er mit tausenden in die Hauptstadt ziehen

Grubenarbeiter werden mit explodierenden Granaten in die Stollen getrieben

BISCHKEK taz ■ Der „Kohlekönig“ von Kirgisien, Nurlan Motujew, hat am Montag der Regierung des zentralasiatischen Staates mit einem offenen Aufstand gedoht. Per Telefoninterview mit der kirgisischen Nachrichtenagentur Akipress fordert er die Behörden ultimativ auf, jegliche Ermittlungen gegen ihn einzustellen sowie ihm eine Million Euro Schadenersatz zu zahlen.

Der 35-jährige Berufsoppositionelle, der sich hauptsächlich durch lautes Brüllen verständigt, hat sich während der Nachwehen des kirgisischen Machtumsturzes die Kohleminen in seiner Heimatregion Karaketsche in der östlichen Narin-Provinz unter den Nagel gerissen. Seither kontrolliert er mit seiner Bürgerwehr über die Hälfte der Kohleproduktion des wirtschaftlich ausgebluteten Gebirgslandes an der chinesischen Grenze.

Sollte ihm innerhalb von 15 Tagen die kirgisische Regierung nicht zu Willen sein, werde er die Zufahrtsstraßen nach Karaketsche blockieren und mit mehreren tausend Mann in die Hauptstadt ziehen. Motujew erklärte, dass sich zurzeit einige tausend seiner Anhänger in der ostkirgisischen Provinz zu einer Demonstration versammelt hätten, um dem Ultimatum Nachdruck zu verleihen.

Motujew hat im April 2005 die radikalnationale Bewegung „Dschoomart“ gegründet und sich, bevor er die Kohlegruben besetzte, als polternder kirgisische Chauvinist einen Namen gemacht. Wenige Tage nach dem kirgisischen Machtumsturz im April war er mit seinen Leibwächtern in das Parlament eingedrungen und hatte den Abgeordneten gedroht, sie reihenweise aufzuknüpfen, sollte das Parlament nicht aufgelöst werden.

Von seinen Anhängern wird er als Held verehrt, während die kirgisische Öffentlichkeit ihn als eine stark verwirrte Ausgabe eines kirgisischen Schirinowskis ansieht. Zudem ist Motujew dafür berüchtigt, keiner Schlägerei aus dem Weg zu gehen.

Das an Rohstoffen arme Land verfügt über eine Kohlereserve von knapp 31.000 Millionen Tonnen, wobei die jährliche Produktion seit der Unabhängigkeit 1991 von 2,3 auf 1,2 Millionen Tonnen gefallen ist. Als selbst ernannter Kohlemagnat verkauft Motujew den schwarzen Rohstoff unkontrolliert. Den Grubenarbeitern wird der Lohn vorenthalten und sie werden unter anderem mit explodierenden Granaten in die Stollen getrieben. Dem kirgisischen Fiskus sind seit der Herrschaft des kirgisischen Nationalisten über die Kohlegruben mehr als 500.000 Euro Steuern entgangen.

In diesem Jahr wird Kirgisien von einem ungewöhnlich kalten Winter heimgesucht, und Kohle gehört zu den wenigen einheimischen Energieträgern. Das zuzüglich zur Kohle nötige Gas muss von Usbekistan und Kasachstan importiert werden, wobei Usbekistan immer mal wieder den Gashahn zudreht. Gleichwohl schaut der kirgisische Staat bisher dem Treiben in seiner östlichen Provinz teilnahmslos zu. Selbst der Versuch des Innenministeriums in Bischkek, den aufsässigen Kirgisen in der letzten Woche lediglich zu befragen, blieb erfolglos.

Weder die kirgisische Staatsanwaltschaft noch die Regierung oder der Präsident wollen sich zu der rechtlosen Lage in der Nordprovinz äußern. Die International Crisis Group hat in ihrem Dezember-Report Kirgisien als einen „taumelnden Staat“ beschrieben und das Treiben Motujews als ein Bedrohung für die Stabilität des Landes bezeichnet. Derweil vermuten internationale Beobachter, dass in der Präsidialverwaltung eine schützende Hand über den widerspenstigen Kirgisen gehalten wird.

MARCUS BENSMANN