Punktsieg für Peking

Costa Rica wendet sich von Taiwan ab und nimmt diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik auf

„China ist eine Realität, die wir nicht länger ignorieren können“

VON ANETT KELLER UND KRISTIN KUPFER

Als erstes Land in Mittelamerika hat Costa Rica mit der Volksrepublik China diplomatische Beziehungen aufgenommen. Wie das Außenministerium in Peking mitteilte, haben sich die Vertreter beider Länder bereits am 1. Juni auf die Aufnahme der Beziehungen geeinigt. „China ist eine Realität, die wir nicht länger ignorieren können“, kommentierte Costa Ricas Präsident Oscar Arias die Entscheidung. Das Wirtschaftspotenzial der Volksrepublik sowie die Offerte einer Freihandelszone veranlassten das Land zum Bruch mit Taiwan, lange Zeit Costa Rica bedeutendster Handelspartner.

„Wir haben unser Bestes versucht, um die Beziehungen zu Costa Rica aufrechtzuerhalten“, sagte der taiwanesische Außenminister, James Huang gestern. Doch Peking habe eine „astronomische Summe“ geboten, um das Land umzustimmen.

24 Staaten verbleiben Taiwan nun noch als Partner. Neben Staaten in Afrika, Mittelamerika und dem Südpazifik gehört dazu auch der Vatikan, mit dem China sich nicht auf das Prozedere der Bischofsweihe einigen kann. Taipeh rief seine Botschaften in den verbleibenden Staaten inzwischen an, „extreme Vorsicht“ walten zu lassen. Denn auch der Präsident von Nicaragua, Daniel Ortega, hat eine Normalisierung der Beziehungen zu Peking angekündigt.

China und Taiwan ringen seit ihrer Teilung im Zuge des Bürgerkrieg auf dem Festland 1949 und der Flucht der Republikanhänger nach Taiwan um diplomatischen Einfluss. Beide Seiten bedienen sich dabei großzügiger finanzieller Angebote. So hat der Nationale Volkskongress im März eine Erhöhung des Etats für Diplomatie um 37,3, auf rund 3 Milliarden Dollar beschlossen.

Pekings diplomatische Siege beschränkten sich bislang primär auf Afrika. Jüngste Erfolge erzielte Peking dort mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zum Tschad. Das Land kämpft mit Unruhen aufgrund von Flüchtlingen und Rebellen aus dem sudanesischen Darfur. Die Unterstützung und Vermittlung Pekings sind deshalb mehr als willkommen. Vor allen Dingen ging es aber um Öl. Während sich die Volksrepublik eine neue Importquelle eröffnete, profitiert Tschad von einer in Aussicht gestellten Anbindung an die Ölpipeline, die China im Sudan baut. Auch bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem Senegal im Oktober 2005 gaben finanzielle Anreize den Ausschlag: China hatte zahlreiche Infrastrukturprojekte, unter anderem eine Wasserkonservierungsanlage, gebaut. Auch den nach wie vor mit Taiwan verbundenen Länder Gambia, Malawi, São Tomé und Príncipe sowie Burkina Faso hat Peking die Aufnahme diplomatischer Beziehungen angeboten.

Chinas diplomatische Offensive – die nun auch in Mittelamerika Früchte trägt – stößt nicht nur der Regierung in Washington sauer auf. Im Südpazifik befinden sich mit Kiribati, den Marshall-Inseln, Palau, Nauru, Tuvalu und den Salomonen sechs der verbliebenen zwei Dutzend Staaten, die mit Taiwan diplomatische Beziehungen pflegen. Pekings neue Aufmerksamkeit und Taiwans verzweifelte Versuche, seinen Einfluss in der Region zu halten, haben Korruption und Gewalt in den Inselstaaten noch verstärkt. Im vergangenen Frühjahr musste der gerade gewählte Premier der Salomonen, Snyder Rini, zurücktreten, weil er, auch mittels Finanzspritzen aus Taiwan, Abgeordnete bestochen haben soll. Australien schickte schließlich hunderte Sicherheitskräfte in den kleinen Nachbarstaat, um die Unruhen dort zu beenden. Und den Hinweis an Peking und Taipeh, dass man den Einfall der Scheckbuchdiplomatie vor der eigenen Haustür nicht gerade schätze.