Japan: Yasuo Fukuda wird liberaler Parteichef

Yasuo Fukuda wurde zum neuen Chef der regierenden Liberalen gewählt. Der 71-jährige wird damit der einzige Regierungschef, der den 2.Weltkrieg miterlebt hat.

Überraschender Aufstieg: Yasuo Fukuda Bild: ap

PEKING taz Nach dem plötzlichen Rücktritt ihres Partei- und Regierungschef Shinzo Abe hat die Liberaldemokratische Partei (LDP) Japans, die das Land seit 1955 fast ununterbrochen regiert, am Sonntag einen neuen Parteichef gewählt. Mit 330 von 527 gültigen Stimmen brachte Yasuo Fukuda am Sonntag die deutliche Mehrheit von Abgeordneten und Funktionären seiner Partei hinter sich. Am Dienstag soll Fukuda von der Parlamentsmehrheit der LDP zum neuen Premierminister gekürt werden.

Äußere Kennzeichen: hohe Stirn und große Brille. Besonderes Merkmal: 71 Jahre alt und damit künftig der einzige Regierungschef eines bedeutenden Industrielandes, der den Zweiten Weltkrieg noch erlebt hat. Wie hat Yasuo Fukuda es nur geschafft, als alter, unauffälliger Greis noch einmal die Spitze der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt zu erobern?

Fukudas überraschenden Aufstieg umweht der Charme einer Rückkehr zu alten Zeiten. Ein "Gefühl für das Gleichgewicht" und besondere "Koordinationsfähigkeiten" sagt die Tageszeitung Asahi Shimbun Fukuda nach. Damit benennt sie jene Qualitäten, die früher jeder LDP-Premier mitbringen musste, um seiner Funktion als Makler zwischen Wirtschafts- und Parteilobbys nachkommen zu können. Doch war die Rolle des japanischen Premiers zuletzt profilierter besetzt: Sowohl Junichiro Koizumi (2001-2006) als auch Shinzo Abe hatten ihr eigenes Reformprogramm. Koizumi brillierte mit der Entflechtung der Japan AG. Abe scheiterte mit seinem Versuch, Japan zu remilitarisieren. Fukuda dagegen tritt dezidiert ohne radikales Reformprogramm an: "Reform ist etwas anderes als Revolution. Reform ist am eigenen Leib nicht spürbar. Man versteht die ihr innewohnenden Veränderungen nicht, wenn man sich nicht Zeit für sie nimmt", sagte Fukuda kürzlich. So will er sich als Premier den ländlichen Regionen zuwenden, die in den letzten Jahren vernachlässigt worden sind. Auch will er Schluss mit dem Persönlichkeitskult an der Regierungsspitze machen. Damit steht er abseits des politischen Mainstreams, der in Japan stets die Bürokraten für alle Staatssünden verantwortlich macht und nach stärkerer politischer Führung ruft.

Unpopulistisch ist auch sein außenpolitischer Kurs: "Zusammenleben mit Asien" lautet Fukudas Prämisse - in einer Zeit, da in Japan das China-Bashing zu einer Art Nationaldiskurs avanciert ist. Fukuda will nun eine neue nationale Kriegsgedenkstätte schaffen, um den umstrittenen Yasukuni-Schrein zu ersetzen, in dem auch Japans Kriegsverbrechern gehuldigt wird. Doch welche Ziele Fukuda im neuen Amt verfolgen kann, steht offen. Er muss seine von Skandalen geplagte Partei befrieden. Er muss mit einer erstarkten Opposition ins Gespräch kommen, die im Oberhaus über eine Sperrmehrheit verfügt. Und er muss die von der Opposition geforderten Neuwahlen entweder vorbereiten oder verhindern. Das dürfte schon ein volles Programm sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.