Zauderer entscheiden Wahl in Dänemark

Rechtes Regierungslager führt noch mit knappem Vorsprung. Aber auch die Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten könnte am Ende die Nase vorn haben. Entscheidend für die Regierungsbildung dürfte die kürzlich gegründete „Neue Allianz“ werden

VON REINHARD WOLFF

Mit einem glatten Sieg hatte Dänemarks Ministerpräsident Anders Fogh-Rasmussen gerechnet, als er vor drei Wochen die vier Millionen Wahlberechtigten für den heutigen Dienstag zu den Urnen rief. Nach sechs Jahren im Amt sollten vorgezogene Neuwahlen ihm ein bequemes Polster für weitere vier Jahre liefern.

Doch nun könnte es wesentlich knapper als erwartet werden. Letzte Meinungsumfragen sagen Rasmussens Regierungsbasis nur eine Mehrheit von 3 der 179 Mandate im Folketing voraus. Die unentschiedenen WählerInnen haben es in der Hand, ob der Ministerpräsident nach Stimmauszählung einer Frau zum Wahlsieg gratulieren muss.

Helle Thorning-Schmidt ist die sozialdemokratische Spitzenkandidatin. Und sie hofft in einer Koalition zusammen mit den Linksliberalen und Volkssozialisten die jetzige Regierung aus Rechtsliberalen, Konservativen und gestützt von der rechtspopulistisch-fremdenfeindlichen Dänischen Volkspartei beerben zu können. In dem kurzen Wahlkampf hat sie ganz auf Sozialthemen gesetzt und sich damit deutlich von der Regierung abgegrenzt. Die verspricht lieber Steuersenkungen und brachte ihr Alternativkonzept mit dem Slogan auf den Punkt: Wollt ihr lieber 24 Kronen (4 Euro) weniger Steuern im Monat zahlen oder keine Warteschlangen mehr in Arztpraxen?

Damit hat sie die empfindlichste Stelle Rasmussens getroffen. In dessen Regierungszeit ging es mit dem dänischen „Wohlfahrtsstaat“ deutlich bergab. Die Zahl der SchülerInnen, die sich in einer Klasse drängen, ist ebenso gewachsen wie die Wartelisten der Krankenhäuser für Operationen. Das soll zwar in Zukunft wieder viel besser werden, verspricht der Ministerpräsident. Doch hat er ernsthafte Schwierigkeiten, glaubhaft vorzurechnen, wie er das Kunststück vollbringen will, die Steuern deutlich zu senken und dabei mehr Geld für den Sozialsektor zur Verfügung zu stellen.

„Man kann die gleiche Krone nicht zweimal ausgeben“, hielt Thorning-Schmidt ihm in allen gemeinsamen Debatten vor. Rasmussen setzte mit einer „Keine Experimente“-Kampagne dagegen, die fast an die CDU-Wahlkämpfe im Deutschland der Fünfzigerjahre erinnerte. Seine bisherige Regierungszeit habe Dänemark Stabilität gebracht. Wer ihn wähle, könne sich dieser auch in Zukunft sicher sein. Fragen nach der parlamentarischen Basis für eine künftige von ihm geleitete Regierung vertagte Rasmussen dabei hartnäckig bis auf den Wahlabend. Das verwundert nicht. Seine eigenen Rechtsliberalen liegen deutlich in einem Minustrend und selbst zusammen mit den Konservativen und der Dänischen Volkspartei reicht es nicht für eine Parlamentsmehrheit.

Verantwortlich dafür ist die „Neue Allianz“ – eine Parteineugründung in der Mitte, die aus dem Stand den Sprung ins Folketing schaffen könnte. Zwar sind die gar zweistelligen Werte, die dieser Partei noch im Sommer vorhergesagt wurden, dahingeschmolzen. Dafür werden neben oft widersprüchlichen Aussagen des Parteichefs Nasser Khader auch dessen Weigerung, sich vorab auf eine Koalition festzulegen, verantwortlich gemacht.

Doch für das entscheidende Gewicht in der Waagschale dürften auch die nun noch 5 oder 6 vorhergesagten „Neue Allianz“-Mandate reichen. Die werden auf Rasmussens Seite landen, legte Khader dann doch noch fest. Alle Versprechungen des in Syrien geborenen ehemaligen Linksliberalen, niemals eine Regierungsbasis zusammen mit den Ausländerfeinden der Volkspartei bilden zu wollen, gelten offenbar nicht mehr.