Deutschland und Polen: Vorsichtige Annäherung

Deutschland will Polen für die Vertriebenen-Ausstellung "Sichtbares Zeichen" gewinnen. Die polnische Seite bleibt skeptisch.

Für die Polen ein rotes Tuch: BdV-Vorsitzende Erika Steinbach. Bild: ap

WARSCHAU taz "Merkel streckt die Hand aus", titelte freundlich Polens größte Tageszeitung, die linksliberale Gazeta Wyborcza. Denn am Dienstag wird möglicherweise eines der schwierigsten Probleme gelöst, das seit Jahren die deutsch-polnischen Beziehungen belastet. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) stellt dann in Warschau das Konzept des "Sichtbaren Zeichens" vor, einer Ausstellung, die an die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg und ihre gelungene Integration in Nachkriegsdeutschland erinnern soll.

"Wir erwarten ein konkretes Konzept", erklärte am Montag Polens Deutschland-Beauftragter Wladyslaw Bartoszewski. "Bislang können wir nur sagen, dass wir uns niemals auf eine Geschichtsinterpretation einlassen werden, wie sie der Bund der Vertriebenen (BdV) forciert. Für uns sind die Kriegsfolgen vom eigentlichen Krieg nicht zu trennen."

Der namhafte Historiker spielt damit auf das in Polen hoch umstrittene Museumsprojekt "Zentrum gegen Vertreibungen" an. Viele Polen gewannen den Eindruck, dass die Deutschen mit diesem Zentrum die Geschichte umschreiben und sich selbst als Opfer des Zweiten Weltkriegs darstellen wollten. Denn mit dem Holocaust-Mahnmal und dem Zentrum gegen Vertreibungen hätte es in Berlin zwei Opfer-Mahnmale gegeben, eines für die Juden und eines für die Deutschen. Dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aus Rücksicht auf die CDU-Wähler unter den Vertriebenen lange Zeit nicht von diesem umstrittenen Projekt distanzierte, nahmen ihr auch viele Deutschlandfreunde in Polen übel.

Dass nun möglicherweise Erika Steinbach, die BdV-Vorsitzende, Initiatorin des Zentrums gegen Vertreibungen und CDU-Abgeordnete, gemeinsam mit einem oder zwei Polen im Programmrat des "Sichtbaren Zeichens" sitzen könnte, hält Bartoszewski für ausgeschlossen. "Von ihr wollen wir überhaupt nichts hören. Sie ist für uns eine Persona non grata." Zwar anerkennt der konservative Politiker und enge Vertraute von Premier Donald Tusk, dass die vom Bund geplante und finanzierte Ausstellung "Sichtbares Zeichen" mit dem "Zentrum gegen Vertreibungen nichts mehr zu tun haben wird. Doch auch Bartoszewskis Misstrauen gegenüber der CDU ist in den letzten Jahren stark gestiegen. "Wir müssen uns nicht beeilen", sagt er daher. Die CDU habe in den letzten Landtagswahlen Stimmen verloren. Die Stimmung in Deutschland schwanke. Die SPD nehme in manchen Fragen eine den Polen nähere Position ein. "Aber ein Spiel auf Zeit gehört nicht zur Strategie des Premiers."

Wie aufgeladen die Stimmung in Polen noch immer ist, zeigt ein großer Bericht im Nachrichtenmagazin Wprost: "Die Deutschen wurden von niemandem und von nirgendwo vertrieben". Der Titel ist unfair und falsch. Doch angesichts der meist einseitigen Darstellung in deutschen Medien ist zumindest die Verbitterung verständlich.

Neumann muss nun in Polen wieder das Vertrauen aufbauen, das über Jahre hin Leute wie Erika Steinbach und andere zerstört haben. Das wird keine einfache Aufgabe. GABRIELE LESSER

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