Kaczyinski gibt nach: Polen will EU-Vertrag unterzeichnen

Nach langem Streit über gefährliche Deutsche und Homosexuelle lenkt Präsident Lech Kaczyski ein, weil er auf dem Nato-Gipfel gut dastehen will. Unklar ist, ob sein Bruder Jarosaw zustimmt.

Auch das mit der Deutschenkritik hat sich Kaczynski offenbar nochmal anders überlegt. Bild: dpa

WARSCHAU taz Polens Parlament will am Dienstag den EU-Reform-Vertrag ratifizieren, haben der nationalkonservative Präsident Lech Kaczynski und der liberale Premier Donald Tusk angekündigt. "Wenn das mal nicht als Aprilscherz in die polnische Geschichte eingeht", unkte Polens größte Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Denn Kaczynski und Tusk haben zwar kürzlich einen langen Streit über Deutsche und Homosexuelle, die angeblich Polens Moral und Souveränität bedrohten, beigelegt. Dieser Streit hatte die Unterzeichnung der Charta verhindert. Doch ob der Bruder des Präsidenten, Jaroslaw Kaczynski, und seine nationalkonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), die den Streit vom Zaun gebrochen hatte, diese Übereinkunft akzeptieren und tatsächlich unterzeichnen werden, war am Montag noch nicht abzusehen.

Bislang hatte die PiS ein nationales Schutzgesetz vor Deutschen und Homosexuellen gefordert und dabei zunächst die Unterstützung des Präsidenten genossen, der zur besten Fernsehsendezeit eine "Rede an die Nation" hielt. Gut an der EU seien die 67,5 Milliarden Euro, die in den nächsten Jahren aus Brüssel nach Warschau fließen würden, erklärte Lech Kaczynski. Schlecht hingegen sei, dass es in der EU Deutsche gebe, die Eigentumsforderungen an Polen stellten. Eine Karte mit den schwarz schraffierten ehemaligen deutschen Ostgebieten und Bilder von Kanzlerin Angela Merkel auf einer Festveranstaltung des Bundes der Vertriebenen betonten die angeblich aus Deutschland drohende Gefahr. Ganz schlecht für Polen, dozierte der Präsident weiter, sei auch die Europäische Charta der Grundrechte. Sie nämlich könne Polen dazu zwingen, die Homoehe einzuführen, obwohl sie "der in Polen geltenden Moralordnung" widerspreche. Zur Illustration rückte ein Priester in schwarzem Ornat ins Bild, der zwei Männer traute. Untermalt war die Rede des Präsidenten von der Erkennungsmelodie einer Fernsehserie über die Nazi-Okkupation.

Den meisten Polen gefiel zwar die ungewöhnlich poppige Form der Rede. Mit dem Inhalt aber konnten laut einer Umfrage über 60 Prozent nichts anfangen. Knapp 70 Prozent fanden ein spezielles Schutzgesetz vor Deutschen und Homosexuellen überflüssig. Nur 19 Prozent der Befragten teilten die Ängste der nationalkonservativen Oppositionspartei PiS vor den Deutschen und den Schwulen.

Als auch immer mehr polnische Botschaften über die fatale Wirkung der Präsidentenrede im Ausland berichteten, ruderte der Präsident zurück. Dieser habe, so erklärte plötzlich Jacek Kurski, der frühere Wahlkampfleiter der PiS, von den Merkel- und Schwulen-Bildern nichts gewusst. Da Kurski aber weder sein Abgeordnetenmandat zur Verfügung stellte noch auch mit einer Strafe für den erheblichen Ansehensverlust des Präsidenten belegt wurde, gehen politische Beobachter davon aus, dass Kurski nur vorgeschoben wurde. Auf dem Nato-Gipfel in Bukarest will der Präsident Polens schließlich wieder ein gute Figur machen.

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