Israelische Siedler im Westjordanland: Gehen, um dem Frieden zu helfen

Benni Ras will seine Siedlung, die östlich des israelischen Trennzauns liegt, lieber heute als morgen verlassen - gegen Entschädigung. Im Mai soll die Knesset darüber beraten.

"Wir gehen freiwillig": Versorgung der Opfer nach einem Selbstmordattentat in Karnei Schomron, Februar 2002. Bild: dpa

JERUSALEM taz Wenn Benni Ras seinen Revolver umschnallt, bevor er das Haus verlässt, dann nicht, weil er vor den Palästinensern Angst hat. Seit er zum ersten Mal öffentlich seinen Wunsch kundtat, nach Israel umzuziehen, gilt Ras bei seinen Nachbarn in der jüdischen Siedlung Karnej Schomron als Verräter. "Vor ein paar Wochen haben sie versucht, mein Auto auf den Kopf zu stellen, während ich und mein Sohn drinsaßen." Ras kam gerade von einem Vortrag über den Gesetzentwurf "Abzug-Wiedergutmachung", den er unter den jüdischen Siedlern und Politikern voranzutreiben versucht.

Bei den religiösen Ideologen, die von der Idee "Großisrael" nicht ablassen wollen, macht er sich damit nicht gerade beliebt. Die Treffen der Initiative "Beit Echad" - "Ein Zuhause" - für die Rückführung der jüdischen Siedler, die östlich der Trennanlagen zwischen Israel und dem Westjordanland leben, finden inzwischen nur noch unter Polizeischutz statt. Vor drei Jahren verlor Ras seine Anstellung bei der Ortsverwaltung, nachdem er im Fernsehen ein Interview gegeben hatte. "Früher oder später werden wir ohnehin umgesiedelt", sagt der 55-Jährige, der den Neuanfang nicht länger aufschieben will. Sein Haus auf eigene Faust zu verkaufen, kommt für ihn nicht in Frage, denn der Wert ist inzwischen auf unter die Hälfte dessen gesunken, was es ihn gekostet hat.

Vor 14 Jahren verschlug es die fünfköpfige Familie, die bis dahin in einem Kibbuz gelebt hatte, nach Karnej Schomron, östlich der palästinensischen Stadt Kalkilia im Norden des Westjordanlandes. Angelockt vom ruhigen Leben im Grünen, von günstigen Krediten, die der Staat den jüdischen Siedlern gewährt, und Steuervergünstigungen, baute Ras für 130.000 Dollar ein kleines Reihenhaus mit Garten. Ein Jahr nach der Unterzeichnung der Osloer Erklärung hoffte die Familie auf eine friedliche Koexistenz mit den Palästinensern in den benachbarten Dörfern.

Erst in Karnej Schomron habe er begriffen, dass "hier noch andere Leute leben". Fast mit schlechtem Gewissen berichtet er, wie seine Eltern aus dem Irak nach Israel kamen und "in einem Land siedelten, das anderen gehörte". Die einzige Lösung für die beiden Völker seien zwei Staaten. "Wenn ich gehe, dann helfe ich damit auch dem Frieden."

Mit Beginn der Zweiten Intifada, im September 2000, wurde es schließlich auch für die Siedler ungemütlich. Bewaffnete Angriffe auf den zehn Kilometern bis nach Israel ließen sie in die kugelgeschützten Busse umsteigen oder auf die stündliche Eskorte der Armee warten. Dann kam es zu einem Bombenanschlag im Einkaufszentrum mitten in der kleinstädtischen Idylle, bei dem drei Kinder starben. "Die Intifada hat uns keine Angst gemacht", meint der durchtrainierte Exmitarbeiter des israelischen Nachrichtendienstes dennoch und erinnert an "schlimmere Kriege". Was ihn nach Alternativen suchen ließ, waren die Trennanlagen, die Israel errichten ließ, um palästinensischen Terroristen das Eindringen nach Israel zu erschweren. Für die rund 80.000 Siedler, die hinter dem Zaun auf palästinensischer Seite blieben, bedeutete das eine "Status-Veränderung", erklärt er. Die Regierung investierte weiter in die Siedlungen, die westlich der Trennanlagen liegen, während in Karnej Schomron die Häuserpreise fielen. Investoren und neue Familien blieben weg. "Ich wollte nicht hinter dem Zaun leben", schimpft Ras, der sich von der Regierung im Stich gelassen fühlt und "als Faustpfand im Friedensprozess missbraucht". Eine gesetzliche Regelung über eine Entschädigung abzugsbereiter Siedler wird es jedoch erst dann geben, wenn sich Israel und die Palästinenser über die End-Status-Regelung einig geworden sind. Innenminister Meir Shitrit formuliert das so: "Kein Zentimeter wird verlassen, bevor Frieden ist."

Diese lähmende Ungewissheit lässt Ras sein Heim vernachlässigen. Die Fliegengitter an den Fenstern sind löchrig. Im Garten wuchert das Unkraut. Ras hofft auf eine Entschädigung, wie sie die Siedler aus dem Gazastreifen erhalten haben. Allein der Ersatz seiner Investitionen reicht ihm nicht. "Ein Haus für ein Haus", ist die einfache Devise der abzugswilligen Siedler. Ras ist nur wichtig, dass sein neues Heim innerhalb der israelischen Grenzen liegt, "ganz egal, ob im Negev oder in Galiläa".

Politische Rückendeckung bekommen sie von der linksliberalen Partei Meretz, deren Abgeordneter Awschalom Wilan einen entsprechenden Gesetzentwurf formulierte. Laut einer von ihm in Auftrag gegebenen Umfrage sind 57 Prozent der Siedler hinter dem Zaun bereit zum freiwilligen Umzug bei Entschädigung. Der Gesetzentwurf soll im Mai in der Knesset vorgestellt werden. "Die Arbeitspartei und die Rentnerpartei sind auf unserer Seite", frohlockt Ras. Noch 20 Stimmen fehlen für eine parlamentarische Mehrheit. "Wir sind anders als die Siedler aus Gaza", betont Ras. "Uns muss keiner raustragen, wir gehen freiwillig."

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