Seegefecht vor Somalias Küste

Die Piraten entführen weitere neue Schiffe, während die indische Marine ein Piratenboot versenkt. Die Überfälle sind vermutlich Teil einer globalen organisierten Kriminalität mit Hintermännern im Ausland und Kontakten zu Regierungen

AUS NAIROBI MARC ENGELHARDT

Die indische Marine hatte ihre Fregatte „INS Tabar“ erst Anfang des Monats in die Gewässer rund um Somalia entsandt, um Handelsschiffe vor Piratenüberfällen zu schützen. Als der Kapitän der „Tabar“ am späten Dienstagabend ein Schiff sichtete, auf das die Beschreibung eines Fahndungsbriefes passte, drehte er bei – und fand sich prompt in einem Seegefecht wieder. Die Piraten feuerten mit Raketenwerfern, die Fregatte schoss zurück. Das Piratenschiff sank, nachdem mehrere laute Explosionen zu hören waren – vermutlich detonierende Munition.

Das Gefecht auf hoher See ist der bisherige Höhepunkt der Ereignisse vor Somalias Küste. Seit die Piraten ihren bislang größten Fang, den saudischen Supertanker „Sirius Star“, am Dienstag vor Somalias Küste verankert haben, haben sie mindestens drei weitere Schiffe entführt: einen Frachter auf dem Weg in den Iran, ein griechisches Frachtschiff und einen thailändischen Fischtrawler. Mindestens 17 Schiffe und fast 350 Mann Besatzung befinden sich derzeit in der Hand von somalischen Entführern – viele schon seit Wochen oder Monaten.

Auch für die 25 Besatzungsmitglieder der „Sirius Star“ ist keine schnelle Lösung in Sicht. Während die saudi-arabische Regierung nur bestätigte, dass es Verhandlungen gebe, brachten somalische Medien die fantastische Summe von 250 Millionen US-Dollar ins Spiel. Ein angeblicher Entführer warnte die Reeder im arabischen Fernsehsender al-Dschasira schon einmal: „Wir haben Maschinen, um das Geld zu zählen, und wir können auch Falschgeld erkennen.“

Das ist vermutlich wahr, denn hinter den Entführern steckt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine hochprofessionelle Bande, die international gut vernetzt ist. Für Andrew Mwangura vom Seefahrer-Hilfsprogramm in Kenias größter Hafenstadt Mombasa, der die Piraterie in Somalia schon seit Jahren aufmerksam beobachtet, ist Somalias Piraterie ein Teil der globalen organisierten Kriminalität. „Die echten Piraten leben in Kenia, in London, in Dubai oder Kanada und planen von dort die Operationen“, so Mwangura. „Kein junger Mann in Somalia könnte sich ein Satellitentelefon leisten, ein Schnellboot oder auch nur eine Kalaschnikow.“

Die Hintermänner im Ausland hätten zudem die nötigen Kontakte, um aktuell über Schifffahrtsrouten und Abfahrtzeiten Bescheid zu wissen. „In Tansanias Regierung weiß ich von mindestens einem hochrangigen Ministeriellen, der den Piraten die nötigen Informationen zu Schiffen zuspielt, die in Daressalam ablegen.“ Sind die Informationen vorhanden, ist die Enterung ein Kinderspiel: Die Piraten suchen sich voll beladene Schiffe aus, die langsam sind und tief im Wasser liegen. Mit Schnellbooten, die von hochseetauglichen „Mutterschiffen“ zu Wasser gelassen werden, holen sie ihr Ziel leicht ein und ziehen sich an Tauen hoch, die mit Wurfankern an der Reling befestigt werden. Die vollautomatisierten Schiffe haben – wie die „Sirius Star“ – trotz ihrer Größe kaum Besatzung an Bord, die sich wehren könnte – und Waffen schon gar nicht.

Dass sich dieses einfache und einträgliche Geschäft mit dem geplanten Marineeinsatz, an dem auch die Bundesmarine teilnehmen soll, stoppen lässt, glaubt Mwangura nicht. „Die Piraterie wird nicht aufhören, solange an Land Drogen gehandelt und Menschen geschleust werden, das ist alles das gleiche Geschäft.“

Trotz dieser pessimistischen Einschätzung konnte die Bundesmarine jetzt Erfolge verzeichnen: Piraten, die versucht hatten, ein äthiopisches und später ein britisches Schiff zu entern, zogen ab, als Kommandant Hans-Joachim Kuhfahl Hubschrauber aufsteigen ließ.