Rechtsradikale in Tschechien: Litvinov könnte bald überall sein

Das brutale Vorgehen rechtsradikaler Schläger gegen Roma in der nordbömischen Stadt wirft die Frage nach gravierenden Versäumnissen bei der Integration der Minderheit auf.

Rechtsradikale Schläger in Litvinov. Bild: reuters

PRAG taz Würde es in Tschechien eine Top Ten der hässlichsten und perspektivlosesten Städte geben, wäre Litvínov sicher im oberen Viertel mit dabei. Die Stadt liegt inmitten des nordböhmischen Braunkohlegebiets. Hier ist die Luftverschmutzung so stark, dass überdurchschnittlich viele Babys mit Organschäden geboren werden. Es gibt auch Schönes aus Litvínov - zum Beispiel die Eishockeyspieler, die zu den besten der Welt zählen.

Unbekannte haben in der Nacht zum Mittwoch in der ungarischen Stadt Pécs bei einem Handgranatenanschlag ein Roma-Ehepaar getötet. Wie die ungarische Nachrichtenagentur MTI unter Berufung auf die Polizei berichtete, schleuderten die Attentäter den Sprengkörper durch ein Fenster in das Haus der Opfer. Die Polizei wollte politische Motive für die Tat zunächst ausschließen. "Es war wohl Rache", sagte ein Sprecher. Ungarische Roma-Vertreter klagen über vermehrte Gewalt gegenüber ihrer Volksgruppe in den letzten Monaten. Sie bringen dies mit dem Erstarken rechtsextremer Bewegungen und Gruppen in Zusammenhang. (dpa)

Doch es ist nicht das Hockey, das Litvínov jetzt in die Schlagzeilen gebracht hat. Am Montag gedachte man hier des 19. Jahrestags der "Samtenen Revolution" mit bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen. Die obskure rechtsradikale "Arbeiterpartei" wollte mit Hilfe einer eigens gegründeten "Schutzstaffel" aufräumen in Janov - einem Stadtviertel Litvínovs, das zu rund 50 Prozent von Roma bewohnt ist. Viele von ihnen stehen auch in der Roma-Gesellschaft ganz unten. Meist ist ihre einzige Beziehungsperson außerhalb der Familie der örtliche Wucherer, bei dem sie hoch verschuldet sind. Ein sozialer Brennpunkt und idealer Nährboden für Neonazis also. Die wüteten am Montag zwei Stunden in Janov. Es gab 16 Verletzte und 14 Anzeigen wegen Landfriedensbruchs.

Und die Einsicht, dass es endlich Zeit geworden ist, den Anfängen zu wehren. "Heute ist es Litvínov, morgen Chanov, dann Zizkov", warnt der Extremismusforscher Miroslav Mares. Innenminister Ivan Langer hofft nun mit einem Verbot der "Arbeiterpartei" den Neonazis Einhalt zu gebieten. "Da können sie sich ja selbst denken, was wir in so einem Fall machen werden", belächelt der Chef der "Arbeiterpartei" Tomás Vandos diese Pläne.

Was ein Parteiverbot bringen soll, fragen sich auch viele Beobachter der tschechischen Radikalenszene. Sind es doch weniger die Krawalle der Neonazis, die zumindest den aufgeklärten Teil der tschechischen Gesellschaft schaudern lassen. Sondern die Reaktionen der weißen Anwohner Janovs während der Straßenschlacht. "Gebts den schwarzen Schweinen", feuerten sie die Neonazis an und gaben ihnen Steine. "Wieso schützt ihr die Zigeuner? Uns solltet ihr vor ihnen schützen", riefen sie und beklatschten die Schläger.

"Das Problem ist ein soziales", meint Miroslav Broz von der Stiftung "Mensch in Not". Denn das tschechische Prekariat besteht größtenteils aus Roma. Die Romapolitik bisheriger tschechischer Regierungen scheint sich nach dem tschechischen Sprichwort gerichtet zu haben: "Was das Auge nicht sieht, tut dem Herzen nicht weh." Auch in Janov gibt es keine sozialen Programme, die versuchen würden, die Roma in die Gesellschaft zu integrieren. Bleiben derartige Integrationsversuche weiter aus, fürchten viele Beobachter wie Miroslav Mares, wird Litvínov bald überall sein.

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