Castro gegen Wohnungsmangel: Kubaner zu Häuslebauern

In Kuba fehlen bis zu zwei Millionen Wohnungen. Staatschef Raúl Castro erlaubt den Kubanern jetzt erstmals, selbst Häuser zu bauen, um dem Mangel zu begegnen.

Auch 50 Jahre nach der Revolution ist Wohnraum auf Kuba knapp. Bild: dpa

"Was man hier (in Kuba) machen muss, ist, hunderttausende von Häusern zu bauen. Deshalb möchte ich, dass wir die industrielle Basis schaffen, um den Wohnungsbau voranzutreiben", sagte Raúl Castro am Sonntagnachmittag bei einem Rundgang durch das Neubauviertel La Risueña in Santiago de Cuba. Bauen soll allerdings nicht mehr nur der Staat, sondern, so Kubas 77-jähriger Staatschef, jeder Bürger der Insel. Das müsse zwar diszipliniert vonstatten gehen, aber jeder solle die Möglichkeit haben, sein eigenes Haus zu bauen, erklärt Raúl Castro gegenüber internationalen und kubanischen Journalisten. Zentrale Aufgabe des Staates sei es, die Produktion von Zement und anderen Baustoffen zu erhöhen, um die überfällige Wohnungsbauoffensive zu initiieren.

De facto ist das ein Eingeständnis einer gescheiterten Wohnungsbaupolitik, denn seit Jahrzehnten mangelt es landesweit an Wohnraum. Selbst laut offiziellen Zahlen fehlten schon Mitte 2008 rund 600.000 Wohnungen. Diese Zahl ist durch die drei Hurrikane, die zwischen Ende August und Anfang November weite Teile Kubas verwüsteten, um weitere 300.000 Wohneinheiten gestiegen.

"Insgesamt benötigt Kuba annähernd zwei Millionen neuer Wohnungen, aber niemand weiß, wer die bauen soll", erklärt Omar Everleny Pérez, Vizedirektor des kubanischen Forschungsinstituts der kubanischen Wirtschaft (CEEC). "Der Verfall in Havanna, aber auch landesweit ist doch kaum zu übersehen, und seit Jahren wurde kaum etwas repariert", kritisiert der 46-jährige Wirtschaftswissenschaftler.

Der latente Wohnungsmangel, ein chronisches Problem nicht erst seit der kubanischen Revolution, hat dazu geführt, dass in vielen Häusern drei Generationen leben und Wohnungen oft überbelegt sind. Das wirkt sich genauso wie die zahlreichen illegalen Umbauten negativ auf die Substanz aus - und da man offiziell nicht einmal die eigene Wohnung reparieren darf, ist der Verfall allerorten sichtbar, so Gabriel Calaforra. "Sehen Sie sich meinen Balkon und die Fenster an - vollkommen verrottet. Doch laut den kubanischen Gesetzen darf ich nichts reparieren", klagt der ehemalige kubanische Diplomat, der heute zu den Kritikern der Regierung zählt. "Weder gibt es Baumaterial auf dem legalen Markt, noch kann ich einen Handwerker offiziell anstellen", erklärt der kleine Mann mit dem schlohweißen Haaren und den blassen blauen Augen.

Genau das soll sich laut Raúl Castro ändern. Wer Geld hat, soll in die Reparatur seines Hauses oder auch in einen Neubau investieren dürfen. Allerdings ist gänzlich unklar, wie das vonstatten gehen soll, denn in Kuba gibt es keine Märkte für Baustoffe. Einzig in den Devisensupermärkten werden Türzargen, Kacheln, Mörtel usw. angeboten, aber das kann sich kaum ein Kubaner leisten.

"Wer bauen will, muss die Bauarbeiter auf den staatlichen Baustellen ansprechen, um Zement zu kaufen", erklärt David Escalona, ein junger Musiker, der sich derzeit ein eigenes Studio aufbaut und das Material dafür auf dem Schwarzmarkt einkauft. Vollkommen normal in Kuba, denn die Bauarbeiter zweigen wie alle anderen ab, was sie können, um ihren kärglichen Lohn aufzubessern. Auch ein Grund, weshalb die staatlichen Wohnungsbauoffensiven in schöner Regelmäßigkeit hinter den Planvorgaben zurückbleiben.

So sollten in einer landesweiten Kampagne zwischen September 2005 und Dezember 2006 landesweit 150.000 Wohnungen gebaut werden. Mehr als 110.000 Wohnungen wurden es jedoch nicht, und auch 2007 und 2008 blieb man hinter den Vorgaben zurück. Bei 100.000 Wohnungen jährlich liegt allerdings das Minimum, um die Wohnungsnot zumindest langfristig in den Griff zu bekommen, so Omar Everleny.

Doch ob dafür ausreichend Baustoffe zu Verfügung stehen, ist relativ unklar. Offiziell haben Kubas Zementwerke zwar eine Kapazität von sechs Millionen Tonnen. Allerdings weiß kaum jemand, ob in den Anlagen, die zumindest teilweise aus den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts stammen, überhaupt noch unter Volllast produziert werden kann. Das ist aber eine weitere Voraussetzung, um den Wohnungsbau wie gewünscht voranzubringen.

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