Volksabstimmung in der Schweiz: SVP hetzt wieder gegen Fremde

Die Schweizer entscheiden am Sonntag über "Personenfreizügigkeit" für die neuen EU-Mitgliedsstaaten. Rechtspopulisten werben mit rassistischen Parolen für ein Nein.

Mal wieder Stimmungsmache gegen die dunkle Gefahr von außen: Wahlplakat der SVP. Bild: reuters

GENF taz Dürfen BürgerInnen der beiden jüngsten EU-Mitglieder Bulgarien und Rumänien künftig in der Schweiz nach Arbeit suchen und sich dort niederlassen? Mit der Antwort auf diese Frage entscheiden die Eidgenossen am Sonntag in einer Volksabstimmung auch, ob es bei der Mitte 2002 vereinbarten "Personenfreizügigkeit" im Verhältnis mit den übrigen 25 EU-Staaten bleibt oder nicht. Für den Fall eines "Neins" droht die EU mit der Aussetzung auch der sechs anderen bilateralen Abkommen mit der Schweiz, die Mitte 2002 vereinbart wurden und damals ebenfalls per Volksabstimmung gutgeheißen wurden.

Nach dem Abkommen über die "Personenfreizügigkeit" können BürgerInnen aller EU-Staaten außer Bulgarien und Rumänien ohne weitere Formalitäten in die Schweiz einreisen, sich dort bis zu sechs Monate um die Aufnahme einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit bemühen und sich im Erfolgsfalle in der Alpenrepublik niederlassen. Auch wenn sie arbeitslos werden, dürfen diese EU-BürgerInnen in der Schweiz bleiben. Familienmitglieder können nachziehen. Die EU-BürgerInnen müssen wie die Eidgenossen in die Schweizer Versorgungskassen einzahlen und erhalten einen Rentenanspruch. Auch Nichterwerbstätige bekommen ein Aufenthaltsrecht, wenn sie genug Mittel für ihren Lebensunterhalt nachweisen können.

Unter denselben Bedingungen können SchweizerInnen in einem EU-Staat arbeiten und leben. Für die BürgerInnen der 15 ursprünglichen EU-Staaten gelten diese Bestimmungen seit Juni 2007 ohne Einschränkungen. Mit Blick auf die zehn mittelosteuropäischen Staaten, die der EU bis 2005 beitraten, kann die Schweiz noch bis April 2011 Beschränkungen vornehmen (Kontingente, Lohnkontrolle, Vorrang für inländische Arbeitskräfte). Die EU hat bei Aushandlung und Abschluss der "Personenfreizügigkeit" und der anderen sechs bilateralen Abkommen stets darauf bestanden, dass diese auch für künftige Mitgliedsstaaten der Union gelten. Diese Haltung wurde auch von der Schweizer Bundesregierung akzeptiert. Mitgetragen wurde diese Position auch von Christoph Blocher, dem langjährigen Chef der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP), der bis Dezember 2007 als Justizminister der SVP Mitglied der Bundesregierung war.

Seit seinem unfreiwilligen Ausscheiden aus der Regierung gab Blocher allerdings den ausländerfeindlichen Kräften innerhalb wie außerhalb der SVP nach, die die Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien ablehnen und die erforderlichen Unterschriften für die morgige Volksabstimmung sammelten. Sie warnen mit teilweise offen rassistischen Slogans und Plakaten vor einer Überflutung der Schweiz mit unqualifizierten Billigarbeitern aus den beiden Balkanländern und einem Anstieg der Kriminalität.

Auch die Parteiführung der SVP schwenkte seitdem voll auf Ablehnungskurs um. Und dies, obwohl sämtliche Schweizer Wirtschaftsverbände die Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien befürworten. Dasselbe gilt für fast ausnahmslos alle Vertreter großer Unternehmen, die sich zu dem Thema öffentlich geäußert haben. Denn sie haben erklärtermaßen davon profitiert, dass sie bei Bedarf schnell und ohne Komplikationen qualifizierte Arbeitskräfte aus dem EU-Raum anwerben können.

Nach einem "Nein" bei der morgigen Abstimmung wäre das nicht mehr möglich. Denn die Fragestellung wurde von der Regierung so formuliert, dass ein "Nein" zur Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien auch die Fortsetzung der bislang praktizierten Personenfreizügigkeit mit anderen EU-Staaten unmöglich machen würde. Dennoch galt der Ausgang der Abstimmung bis zuletzt als völlig offen. Seit die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise auch in der Schweiz immer spürbarer werden, ist nicht auszuschließen, dass die ausländerfeindlichen Angstparolen bei einer Mehrheit verfangen. ANDREAS ZUMACH

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