Verwirrspiel um Afghanistan-Gespräche

An den Gesprächen unter Leitung des früheren US-Botschafters Khalilzad haben am Wochenende in Dubai offiziell keine Taliban-Vertreter teilgenommen. Zugleich soll Taliban-Chef Mullah Omar angeblich grünes Licht für Gespräche gegeben haben

Ein Selbstmordattentäter hat am Montag bei einem Anschlag auf eine Anti-Drogen-Einheit der Polizei in der südlichen Provinz Helmand mindestens neun Polizisten und zwei Zivilisten getötet. 28 Menschen seien verletzt worden, sagte Helmands Polizeichef Assadullah Shersad. Der Attentäter habe eine Polizeiuniform getragen und versucht, ins Hauptquartier der Polizei in der Provinzhauptstadt einzudringen. Als ihn Sicherheitskräfte aufhalten wollten, habe er sich in die Luft gesprengt. Die britischen Truppen in Helmand teilten am Montag mit, zwei britische Soldaten seien dort bei einem Anschlag getötet worden. Bei einem Angriff auf eine Polizeistation in Helmands Nachbarprovinz Farah wurden am Montag ein Polizist und ein Selbstmordattentäter getötet. Zu den Angriffen auf die Polizeistationen in Helmand und Farah bekannten sich die Taliban. Am Wochenende waren insgesamt mindestens acht ausländische Soldaten in Afghanistan getötet worden. DPA

VON THOMAS RUTTIG

Die Afghanistan-Konferenz im Golfemirat Dubai unter Vorsitz des früheren US-Botschafter in Afghanistan, Zalmay Khalilzad, ist am Sonntag nach drei Tagen mit großer Abwiegelung beendet worden. Eine Abschlusserklärung sei noch in Arbeit, sagte Hillaluddin Hillal der taz. Der ehemalige afghanische Vizeinnenminister und heute der Opposition nahestehende Parlamentarier war einer der Teilnehmer. Die Erklärung werde laut Hillal die internationale Gemeinschaft auffordern, Afghanistan weiter zu unterstützen. Auch werde sie die„klare Aussage“ enthalten, dass die Afghanen „sehr wohl fähig seien, sich selbst zu regieren“. Die Regierung von Hamid Karsai werde aufgefordert, eine politische Übereinkunft mit ihren „bewaffneten Gegnern“ zu suchen.

Die Dubai-Runde werde laut Hillal dazu keine eigenen Initiativen unternehmen. Auch Khalilzad stapelte tief und sagte einem Kabuler Fernsehsender, die Runde sollte lediglich „Afghanen, die nicht in den Konflikt verwickelt, gebildet und jung sind, die Chance geben“, die „dringlichsten Probleme Afghanistans“ zu besprechen. Mitglieder der oppositionellen Nationalen Front, so Hillal, hätten nur in persönlicher Kapazität an dem Treffen teilgenommen.

Laut afghanischen Quellen hatten sich zeitgleich Vertreter der wichtigsten bewaffneten Karsai-Gegner – der Taliban und der Islamischen Partei – in Dubai aufgehalten. Ob es tatsächlich zu Kontakten kam, ist unklar. Ähnlich hielt es schon die saudische Regierung im vergangenen September, als sie eine „Kabuler Delegation“ aus Regierungsvertretern und in Kabul lebenden Ex-Taliban nach Mekka einlud, um dort Vertreter von Taliban-Chef Mullah Omar zu treffen. Denn dieses Vorgehen ermöglicht allen Beteiligten ein Dementi.

Zeitgleich berichtete die Londoner Times unter Berufung auf ein früheres Al-Qaida-Mitglied, das Ussama Bin Laden nahe gestanden hatte und sich nun als Unterhändler profiliert, Mullah Omar habe „grünes Licht“ für die Gespräche unter saudischer Vermittlung gegeben. Qayyum Karsai, Bruder des afghanischen Präsidenten, habe „die letzten fünf Tage lang Taliban getroffen“.

Die Nichtbestätigung von Treffen mit Taliban ermöglicht allen ein Dementi

Ein Teilnehmer der Dubaier-Runde bestätigte indirekt, dass die Kontakte via Saudi-Arabien parallel weiterliefen. In Dubai hätten jetzt nur Personen teilgenommen, „die auch nach Kabul kommen können“. Das ist ein Hinweis darauf, dass Saudi-Arabien auch solche Taliban-Vertreter beteiligt, denen in Afghanistan wegen der UN-Sanktionen die Verhaftung droht.

Die sonst für schnelle Reaktionen auf solche Berichte bekannten Taliban äußerten sich bisher nicht. Als jüngste Verlautbarung zu diesem Thema steht ein anonymer Kommentar auf ihrer Almerah-Webseite, in dem weiterhin ein Truppenabzug als Vorbedingung genannt wird. Aber diese Maximalposition könnte verhandelbar sein.

Immerhin belebt die Konferenz in Dubai die Debatte in Afghanistan. Der Parlamentarier Mir Ahmad Dschujenda bemängelt, dass die „nationalen und demokratischen Parteien“ nicht eingeladen wurden. Hamid Mubarez, Exvizeminister unter Karsai und Doyen der liberalen Intellektuellen, schreibt, er sei „erstaunt, dass Barack Obama während seines Wahlkampfs den Standpunkt vertrat, Terroristennester in den (pakistanischen) Stammesgebieten zerstören zu wollen“, jetzt aber über „Gespräche mit den Taliban“ rede. Der Exfinanzminister und jetzige Karsai-Gegenkandidat Aschraf Ghani, der der Dubai-Konferenz über Video zugeschaltet war, meinte in einem afghanischen TV-Sender, die Debatte solle nun im Land selbst geführt werden. Das wäre in der Tat Voraussetzung für das Zustandekommen einer einheitlichen Gesprächsstrategie, die das Durcheinander unkoordinierter verdeckter Kanäle beendet.