NEBENSACHEN AUS MOSKAU VON KLAUS-HELGE DONATH
: Goldene Klobürste für die Petersburger Gouverneurin

In der russischen Verwaltung herrscht Verschwendungssucht. Dafür gibt es ab jetzt eine Auszeichnung

Zugegeben, russische Staatsdiener sind eine besondere, unnachahmliche Spezies. Folgt man der literarischen Würdigung dieser Gattung, so hat sie sich in mehreren Jahrhunderten nur unmerklich gewandelt.

Der gefühlte Selbstwert eines Beamten lässt sich bereits an der Erlesenheit seines Bürointerieurs ablesen. Ausstattung steht für Einfluss und spiegelt die Innenarchitektur der Macht wider. Ikea- und Sperrholzkonstruktionen eignen sich dafür nicht. Erst ein „Kabinett“ mit üppigen massiven Garnituren, vorzugsweise im Stil sizilianischen Barocks, erhebt einen tschin (Beamter) zu einem authentischen Teilhaber an der Macht.

Dem Hang zu Prunk und Gepränge hat die Jugendorganisation der demokratischen Partei Jabloko in Sankt Petersburg jetzt eigens einen Preis gewidmet: die „Goldene Klobürste“, russisch solotoi jorsch. Die Namenswahl war nicht beliebig. Pate stand eine Klobürste, die die Verwaltung St. Petersburgs noch anschaffen wollte, als die Wirtschaftskrise Russland schon mit voller Wucht erfasst hatte. 12.794 Rubel, umgerechnet 380 Euro, sollte das gute Stück kosten. Ein standesbewusster Beamter hätte sie wohl trotzdem nie benutzt.

Denn das Utensil müsse zumindest vergoldet gewesen sein, mutmaßen die Preisverleiher, die zu bedenken gaben, dass sich vom selben Geld 426 ordinäre Bürsten russischer Produktion hätten beschaffen lassen.

Die Bürste war nur ein Accessoire eines ganzen Sanitärsets, das die Verwaltung anzuschaffen gedachte. Die zur Bürste passende Klobrille war mit 350 Euro veranschlagt, der Toilettenpapierhalter mit 210, der Flüssigseifenspender schlug mit 400 und der Handtuchhalterungsring mit 180 Euro zu Buche.

Erste Preisträgerin wurde die Gouverneurin von St. Peterburg, Walentina Matwienko. Das Renovierungsvorhaben ihres Büros hätte das Staatssäckel eine Million Euro gekostet.

Die zweite Auszeichnung ging an die Administration der staatlichen Hotel- und Gastronomiebetriebe in der Stadt an der Newa. Die Kantine des legendären Smolni, wo Wladimir Lenin 1917 den Sieg der Oktoberrevolution verkündete und heute die Stadtverwaltung untergebracht ist, hatte Schaschlikspieße zum Stückpreis von 280 Euro eingekauft und verwendete ein Paniermehl, von dem ein Kilogramm 80 Euro kostete. Knapp 8.000 Euro verbrauchte der Küchenmeister in einem Monat für Gewürze, Saucen und Dressings.

Unterdessen stockte die staatliche Residenz „K-2“ den Stuhlpark um 230 Exemplare auf, Gesamtpreis: 185.000 Euro. Die Ausgaben für Büsten und Skulpturen blieben indes unter einer halben Million, während diverse Vorhänge und Portieren jeweils wieder mit fünfstelligen Summen zu Buche schlugen. Die Preisträger blieben der Verleihungszeremonie fern.