Die Milizionärin

OPFER Nicolasa Loásiga war 16, als sie sich freiwillig zur Miliz meldete. Zwei Brüder starben im Krieg

Wo Nicolasa Loáisiga lebte, waren die sandinistischen Guerilleros vor 1979 immer wieder durchgezogen. Das Bergland von Matagalpa im Zentrum Nicaraguas war schwieriges Terrain.

„Ich war immer schon von Uniformen fasziniert“, sagt die heute 41-jährige Frau, deren Eltern als landlose Bauern vor allem von der Erntearbeit auf den Kaffeeplantagen lebten. Die Revolution machte aus der Plantage einen Staatsbetrieb, der, als die Contras immer häufiger vom Norden her einsickerten, bald auch als Wehrverband funktionierte. Mit Begeisterung streifte Nicolasa die olivgrüne Uniform der Milizen über und meldete sich freiwillig bei der Armee, als 1984 unter dem zunehmenden Druck der Contras der Wehrdienst für männliche Jugendliche eingeführt wurde. Eine schöne Zeit sei das gewesen, erinnert sie sich, allerdings auch traurig. Zwei ihrer Brüder, 14 und 17 Jahre alt und zwangsweise in der Armee, wurden bei einem Überfall der Contras getötet. Nicolasa, deren Einheit herbeigerufen wurde, musste die Leiche des 14-jährigen Asunción bergen. 1985 wurde sie schwanger und verließ die Armee. Das zerknitterte Entlassungsschreiben, unterschrieben von Leutnant Humberto López, bescheinigt ihr „gute Disziplin und Gehorsam“.

Es muss bald nach der Geburt ihrer Tochter Yelba Carolina Gewesen sein, als eine Schweizer Brigade eintraf, um Häuser zu bauen. Die Schweizer machten jede Menge Fotos.

Die junge Frau in der Milizuniform auf dem vergilbten Schwarzweißbild ist kaum wiederzuerkennen. In einem finsteren Haus, gegenüber dem Krämerladen Escarleth, lebt Nicolasa Loáisiga, gezeichnet von langen Entbehrungen, unweit von Managua.

Seit Daniel Ortega wieder regiert, sind die Schule und das öffentliche Gesundheitswesen wieder gratis. Aber: „Wenn ich eine Röntgenuntersuchung brauche, muss ich zwei Monate warten“, klagt Nicolasa. Jüngste Budgetkürzungen im Zeichen der Krise lassen weitere Einschnitte befürchten. Trotzdem wird Nicolasa mit ihrer Tochter am 19. Juli auf dem ehemaligen Platz der Revolution stehen, um Daniel Ortegas Festansprache zu hören. Vielleicht steht sie dann in der Menge neben Pablo Aráuz oder José Fernando Canales, deren Leben wie ihres von der Revolution geprägt wurde. RALF LEONHARD