Flüchtlinge im Mittelmeer verdurstet: Eine wochenlanger Odyssee

Ein Schiff voller Eritreer geht auf dem Weg nach Italien verloren. 75 sollen gestorben sein. Nur fünf überlebten.

Für viele Flüchtlinge ist die italienische Küstenwache die letzte Rettung. Bild: dpa

BERLIN taz | Ende Juli waren sie aufgebrochen, rund 80 Flüchtlinge aus dem bitterarmen und repressiven Eritrea, die durch Sudan nach Libyen zogen und von dort über das Mittelmeer nach Italien wollten. Nur fünf von ihnen haben die Reise überlebt. Die zwei Männer, zwei Jungen und eine Frau wurden am Donnerstag von Italiens Küstenwache nach wochenlanger Odyssee von einem Schlauchboot gefischt und auf die Insel Lampedusa gebracht. "Wie ein Geist" habe die Frau ausgesehen, "ihr Körper wie ein Skelett und ihre Augen leer", berichtete die Mitarbeiterin eines Hilfswerks.

Die anderen Bootsinsassen sind vermutlich alle tot. Die Geschichte der Überlebenden ist die eines Horrortrips. "Nach zwei Tagen verloren sie die Richtung, und ihr Treibstoff ging zur Neige, weil sie im Kreis herumirrten", gab Laura Boldrini, Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, die Aussagen der Eritreer wieder. "Dann hatten sie auch keine Lebensmittel und kein Wasser mehr, und Menschen begannen zu sterben. Es war auch sehr heiß." Manche tranken Meerwasser und starben. Andere verdursteten. Die Toten wurden über Bord geworfen.

Am schlimmsten: Niemand half den Flüchtlingen. Nur einmal habe ein Fischkutter Brot und Wasser hinterlassen. Das sei beispiellos: "Es ist alarmierend, dass diese Menschen 20 Tage lang im Mittelmeer drifteten, ohne dass ein anderes Boot anhielt und ihnen half. Das ist ein wirklich niederschmetterndes erstes Mal", so Boldrini.

Christopher Hein vom Italienischen Flüchtlingsrat ging weiter: "Da das Meer zwischen Lampedusa und Libyen Tag und Nacht überwacht wird, kann es einfach nicht sein, dass ein 12 Meter langes Boot so lange herumdriftet und niemand das merkt", sagte er. "Das bedeutet, dass man diese Menschen bewusst ihrem Schicksal überlassen hat."

Ein Flugzeug der EU-Grenzagentur Frontex ortete das Boot schließlich 19 Meilen südlich von Lampedusa in libyschen Gewässern und schaltete die italienische Küstenwache ein. Bereits am Dienstag, so Zeitungsberichte in Malta, hatte ein deutscher Frontex-Hubschrauber eine erste Leiche im Meer entdeckt. Sechs weitere Leichen wurden am Donnerstag gefunden. Daraufhin begannen die zunächst skeptischen Italiener, den Überlebenden zu glauben.

Mindestens 124 afrikanische Migranten sind dieses Jahr beim Versuch der Überfahrt von Nordafrika nach Europa gestorben. Seit Juli patrouillieren Italien und Libyen gemeinsam im Mittelmeer und schicken Flüchtlinge zurück, bevor sie italienischen Boden betreten. Knapp 1.000 Flüchtlinge wurden auf diese Weise bereits von Europa ferngehalten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.