Nach Terroranschlägen in Bagdad: Düstere Aussichten für den Irak

Der jüngste Doppelanschlag in Bagdad zeigt, wie verwundbar die politischen Institutionen des Iraks sind. Und die USA haben jetzt ein Problem, denn ihre Soldaten sind am Packen.

In Bagdad bewiesen die Terroristen, dass die Iraker noch nicht stark genug sind, allein für die öffentliche Ordnung zu sorgen. Bild: reuters

KAIRO taz | Es war ein Schlag mitten in die politische Machtzentrale des Iraks, nur wenige hundert Meter von der Grünen Zone in Bagdad entfernt, dort, wo aus der US-Botschaft immer noch ein großer Teil der Geschicke des Zweistromlandes gelenkt wird. Fast 150 Menschen starben bei dem Doppelanschlag auf das irakische Justizministerium und das Verwaltungsgebäude der Provinz Bagdad. Die Straße vor den Gebäuden war erst vor Kurzem wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, als Zeichen dafür, dass im Irak neue und friedlichere Zeiten angebrochen seien.

Wir können überall zuschlagen und mit Vehemenz, lautet die Botschaft der Attentäter, die sich nicht zu ihrer Tat bekannten. Es waren die schwersten Anschläge seit zwei Jahren. Sie lösten selbst im kriegs- und attentatgewohnten Bagdad einen Schock aus, als die Toten und über 600 Verletzte abtransportiert wurden.

Es scheint den Tätern darum zu gehen, der Regierung von Nuri al-Maliki im Vorfeld der für Januar angesetzten Parlamentswahlen Inkompetenz bei den Bemühungen um Sicherheit und selbst den Schutz der eigenen Ministerien nachzuweisen. Erst im August waren bei einem ähnlichen Doppelanschlag auf das irakische Finanz- und Außenministerium 75 Menschen ums Leben gekommen. "Sie wollen das Land ins Chaos stürzen, den politischen Prozess stören und die Parlamentswahlen verhindern", sagte Premier Nuri al-Maliki in einer ersten Reaktion. In Wirklichkeit behindert sich der politische Prozess selbst. Im Moment können sich die irakischen Politiker noch nicht einmal auf ein Wahlgesetz einigen. "Wenn wir das weiter hinauszögern, dann verlieren wir an Legitimität und die Zeiten des Bürgerkrieges könnten wiederkehren", warnte auch al-Maliki.

Die Auswahl der Regierungsinstitutionen als Anschlagsziel war sicher kein Zufall. Die Ministerien werden in der Regel von einzelnen politischen Parteien und damit auch von bestimmten Bevölkerungsgruppen dominiert. Bagdads Provinzverwaltung wird seit den letzten Lokalwahlen von al-Malikis schiitischer Regierungskoalition beherrscht. Das ebenfalls angegriffene Justizministerium ist weniger politisiert. Aber die meisten Beamten gehören der Schiitischen Vereinigten Irakischen Allianz an. Der Minister ist ein unabhängiger Kurde, der nach dem Krieg mit der US-Besatzungsbehörde und deren damaligen Chef Paul Bremer eng zusammenarbeitete. Das Justizministerium hat auch die Exekutionen der Vertrauten von Saddam Hussein beaufsichtigt.

Bei einem desolaten politischen Prozess ist es ein Einfaches, die Lage durch Anschläge weiter zu destabilisieren, gerade wenn ein großer Teil der US-Soldaten dabei ist, die Koffer zu packen. Seit dem 1. Juli tauchen US-Truppen nicht mehr in irakischen Städten auf, bis August 2010 sollen Kampfeinheiten das Land verlassen, bis Ende 2011 soll fast die gesamte Armee abgezogen sein.

Die Stimmung der Soldaten ist denkbar schlecht, räumen sie doch nicht als Sieger das Feld. Wie groß ihre Niederlage ist, das wird sich nach ihrem Abzug zeigen. Im Grunde genommen sind die US-Soldaten inzwischen als Ziel für Anschläge uninteressant geworden. Selbst diejenigen, die glauben, mit Washington noch eine Rechnung offen zu haben, halten sich nicht mehr mit den abziehenden Soldaten auf. Sie wissen: Wollen sie die USA treffen, schlagen sie gegen die von ihnen hinterlassene Regierung zu.

"Diese Bombenanschläge dienen keinem anderen Zweck, als unschuldige Männer, Frauen und Kinder zu töten", erklärte US-Präsident Barack Obama dazu. Die Attentate offenbarten "die hasserfüllten und zerstörerischen Ziele jener, die dem irakischen Volk die Zukunft verweigern, die es verdient". Nach Ansicht von US-Außenministerin Hillary Clinton versuchten die Hintermänner des Anschlags, den "beeindruckenden Fortschritt" der Iraker in Richtung Stabilität zunichtezumachen.

Eines scheint sicher: Der blutige Tag in Bagdad war nur ein Vorbote für die unruhigen Zeiten, die dem Land im Vorfeld der Wahlen blühen. Und das in einer Zeit, in der Washington den Irak schon hinter sich lassen und sich ganz darauf konzentrieren wollte, in Afghanistan das Schlimmste zu verhindern. Derweil ist - wie die letzten Anschläge beweisen - das Kapitel Irak noch längst nicht abgeschlossen.

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