KAMBODSCHAS REGIERUNG STÜTZT DEN GESCHASSTEN THAILÄNDISCHEN EXPREMIER THAKSIN UND PROVOZIERT DAMIT BANGKOK
: Ein handfester Streit zwischen zwei Nachbarn

VON NICOLA GLASS

NEBENSACHEN AUS BANGKOK

Dass Thailand und Kambodscha sich nicht grün sind, ist bekannt. Aber jetzt herrscht richtig Zoff – wieder einmal. Ausgelöst wurde er von Kambodschas Regierungschef Hun Sen. Der hatte kürzlich verkündet, er wolle Thailands Expremier Thaksin Shinawatra, einen alten Politfreund und Golfkumpel, zu seinem Berater machen. Das erklärte Hun Sen ausgerechnet kurz vor dem Asean-Treffen im Oktober. Gipfel-Gastgeber Thailand war beleidigt und zog bald seinen Botschafter aus Phnom Penh ab. Daraufhin rief Kambodscha seine Chefdiplomatin in Bangkok ebenfalls zurück.

Wenige Tage später reiste Thaksin tatsächlich an. Der in seiner Heimat wegen Korruption zu zwei Jahren Haft Verurteilte flog mit einem Privatjet in Phnom Penh ein und hielt eine Rede vor 300 handverlesenen Wirtschaftsvertretern und Anwälten. Und die sprachen ihn ganz bewusst mit „Exzellenz“ an – einem Titel, der nur einem aktiven Regierungschef zusteht. Die gesamte Veranstaltung wurde auch noch per Satellit im thailändischen Fernsehen übertragen, was Thailands jetzige Regierung doppelt in Rage gebracht haben dürfte.

Kaum hatte Thaksin kambodschanischen Boden betreten, beantragte Thailand seine Auslieferung. Doch Kambodscha lehnte ab – trotz eines beiderseitigen Abkommens. Die Begründung lautete, das Urteil gegen Thaksin sei politisch motiviert gewesen. Thailand wertete das als Affront gegen die Unabhängigkeit seiner Justiz. Und setzte prompt Entwicklungsprojekte in Kambodscha aus. Der kleinere Nachbar rüstete sich zum nächsten Schlag: Kambodscha ließ gerade einen thailändischen Ingenieur verhaften – dieser sei ein Spion.

Was zuerst wie eine Kissenschlacht im Kindergarten anmutete, hat sich zu einem ernsthaften Zwist entwickelt. Der ehemalige Rote Khmer Hun Sen weiß, dass seine öffentlich inszenierte Freundschaft mit dem umstrittenen thailändischen Millionär den Nachbarstaat am wundesten Punkt trifft. Es ist bekannt, dass der 2006 durch einen Putsch entmachtete Thaksin für die jetzige thailändische Regierung unter Premier Abhisit Vejjajiva, die von konservativen Militärs, Technokraten und Royalisten an die Macht gehievt worden war, ein rotes Tuch ist.

Was Hun Sen mit seiner Parteinahme für Thaksin bezweckt, weiß keiner. Die einen munkeln etwas von handfesten Geschäftsinteressen. Es heißt, Thaksin wolle in Kambodscha investieren – in einer Gegend, die „Wilder Westen“ genannt wird. Andere vermuten innenpolitische Probleme: Hun Sen müsse die Nationalisten im eigenen Land besänftigen. Da komme es gerade recht, den arroganten Nachbarn Thailand zu provozieren.

Grund genug gab es. Ein ultrarechtes Anti-Thaksin-Bündnis hatte 2008 öffentlich zu einem Krieg mit Kambodscha aufgerufen. Dieses Bündnis mag einfach nicht akzeptieren, dass der alte Hindu-Tempel Preah Vihear, der 1962 per internationalem Gerichtsentscheid Kambodscha zugesprochen worden war, seit vergangenem Jahr auch offiziell als kambodschanisches Weltkulturerbe gilt. Zu Schusswechseln mit Toten kam es bereits.