Irans Opposition: Schwerer Verlust

Der verstorbene und außerst populäre Großayatollah Montazeri wird in Ghom beerdigt. Seine kritischen Fatwas richteten sich gegen das Regime und unterstützten so die Opposition.

Trauer am Leichnam des verstorben Großayatollah Montazeri. Bild: ap

BERLIN taz | Der im Iran populärste Geistliche, Großayatollah Hossein Ali Montaseri, ist am Sonntag in der heiligen Stadt Ghom gestorben. Für die iranische Opposition ist sein Tod ein schwerer Schlag. Denn Montaseri war die religiöse Instanz, die im schiitischen Islam wohl am meisten anerkannte Autorität, die sich offen gegen die herrschende Macht im Iran stellte - ein Grund für bereits umlaufende Gerüchte, der Ayatollah sei umgebracht worden. Doch sein Sohn, Ahmad Montaseri, bestätigte den Tod des 87-jährigen am Sonntagmorgen und gab bekannt, dass bereits zahlreiche Großayatollahs sich im Haus seines Vaters eingefunden hätten.

Montaseri war der engste Weggefährte des Gründers der Islamischen Republik, Ayatollah Chomeini. Bereits vor der Revolution arbeiteten die beiden Geistlichen, die zu den schärfsten Gegnern des Schahregimes gehörten, eng zusammen. Montaseri saß öfters im Gefängnis.

Nach der Revolution wurde Montaseri Mitglied des neu gebildeten Revolutionsrats und wenig später Präsident der Expertenversammlung, die die Verfassung der Islamischen Republik ausarbeitete. Hier setzte Montaseri trotz Kontroversen das System des Welayat-e Faghieh, die absolute Herrschaft der Geistlichkeit, durch. 1985 ernannte ihn Chomeini zu seinem Nachfolger. Doch kurz vor Chomeinis Tod 1989 fiel er wegen der scharfen Kritik an der Hinrichtung von tausenden Oppositionellen in Ungnade. Er musste Jahre lang in Hausarrest verbringen. Erst 2004, dem letzten Jahr von Mohammad Chatamis Präsidentschaft, wurden die Einschränkungen aufgehoben.

Nach der umstrittenen Präsidentenwahl im Juni, die die bis heute andauernden Massenproteste auslösten, trat Montaseri als einer der schärfsten Kritiker der herrschenden Macht auf, insbesondere gegen Revolutionsführer Ali Chamenei. In einer im Juni veröffentlichten Fatwa warf er Chamenei vor, seine weltlichen und religiösen Pflichten versäumt und das Vertrauen des Volkes missbraucht zu haben. Ein solcher Führer gehöre abgesetzt. Sollte er jedoch versuchen, sich durch Gewalt, Lug und Trug an der Macht zu halten, seien die Gläubigen verpflichtet, ihn mit allen gesetzlich erlaubten Mitteln abzusetzen.

In den letzten Monaten veröffentlichte Montaseri mehrere Erklärungen, in denen er das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten, die Folterungen und Vergewaltigungen in den Gefängnissen, die Schauprozesse und die erzwungenen Geständnisse scharf kritisierte. Das Regime habe längst seine Legitimation verloren, die islamische Republik stehe am Abgrund, schrieb er kürzlich.

Montaseri soll am Montag in Ghom beigesetzt werden. Die staatlichen Medien versuchen, die Bedeutung seines Todes herunterzuspielen. Die Nachrichtenagentur IRNA brachte eine kurze Nachricht, ohne Montaseris offiziellen Titel Groß-Ayatollah zu erwähnen. Allgemein geht man davon aus, dass die Opposition die Trauerfeier zum Anlass für eine Protestkundgebung nehmen wird.

Indes hat die iranische Justiz nach Monate langen Dementis am Samstag erstmals offiziell bestätigt, dass Oppositionelle nach ihrer Verhaftung bei den Unruhen in Juni zu Tode gefoltert worden sind. In der vom staatlichen Fernsehen verkündeten Nachricht wurde eine Erklärung der Justiz verlesen, in der es heißt, die Todesfälle seien auf "unnormale Behandlung und körperliche Züchtigung" zurückzuführen. Deshalb seien zwölf Vollzugsbeamte des inzwischen geschlossenen Kahrisak-Gefängnisses angeklagt worden, drei von ihnen wegen vorsätzlichen Mordes.

Bisher wurden Vorwürfe der Opposition, dass Demonstranten nach ihrer Festnahme schwer misshandelt, vergewaltigt und zu Tode gefoltert worden seien stets offiziell zurückgewiesen. Die Gerichtmedizin habe bei den Toten eine Hirnhautentzündung diagnostiziert, wurde behauptet. Am Samstag hieß es nun, der Gerichtsmediziner habe eine Meningitis ausgeschlossen und bestätigt, dass die Leichen die Spuren von wiederholten Schlägen aufgewiesen hätten. Diese Wunden hätten letztlich zum Tode geführt. Die Zahl der Toten bei den Unruhen im Sommer wird offiziell mit dreißig angegeben, doch die Opposition spricht von 79 Getöteten.

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