Parlament setzt Präsident ab: Nigerias Krise spitzt sich zu

NIGERIA Beide Kammern für Machttransfer vom kranken Staatschef Yar’Adua an den Vize Jonathan

NAIROBI taz | Nigerias Parlament hat gestern die Weichen für einen Wechsel an der Spitze des Landes gestellt. Nach kontroversen Debatten stimmten erst der Senat und Stunden später auch das Repräsentantenhaus dafür, Vizepräsident Goodluck Jonathan die Funktionen des Präsidenten und des Oberkommandierenden der Streitkräfte zu übertragen.

Die Entscheidung fiel inmitten der Zuspitzung einer mehr als zweieinhalb Monate währenden Regierungskrise. Der 2007 gewählte Präsident Umaru Yar’Adua wird seit Ende November in Saudi-Arabien medizinisch behandelt und weigert sich bisher, seine Macht an seinen Stellvertreter Jonathan zu übertragen. Zahlreiche Kritiker befinden, Nigeria sei deshalb zunehmend führungslos.

„Die Entscheidung ist eher zweckmäßig als rechtmäßig“, bewertet Rechtsanwalt Bamidele Aturu in Nigerias größter Stadt Lagos die Parlamentsentscheidung. „Sie ist vor allem deshalb gefallen, weil das Kabinett sich bisher um jede Entscheidung gedrückt hat.“ Nigerias Verfassung macht einen Brief des Präsidenten, in dem dieser seine Abwesenheit bestätigt, zur Voraussetzung für die vorübergehende Amtsübertragung. Dieser Brief aber liegt nicht vor. So ist mit Klagen gegen die Parlamentsbeschlüsse zu rechnen.

Jonathan selbst äußerte sich bis gestern Nachmittag nicht dazu. Während einige Beobachter eine eilige Vereidigung Jonathans für möglich hielten, rechneten andere damit, dass sich zunächst das Kabinett in seiner Sitzung am heutigen Mittwoch mit den Entscheidungen befassen wird. Letzteres wäre heikel, denn die um ihre Posten besorgten Minister haben es bereits mehrfach abgelehnt, Jonathan zum Präsidenten zu ernennen. Entscheidend für den Ausgang des Machtkampfs dürfte der Einfluss der Gouverneure von Nigerias 36 Bundesstaaten sein, die sich am Montag für die Machtübergabe ausgesprochen hatten. Wahrscheinlich ist, das Jonathan Zusagen gemacht hat, etwa die, bei den Wahlen 2011 nicht zu kandidieren. MARC ENGELHARDT