Europa steht vor schweren Zeiten

EU Europaparlament bestätigt neue EU-Kommission unter dem bisherigen Chef Barroso. Ihr Hauptthema: Verhindern, dass die Wirtschaftskrise den gesamten Euroraum gefährdet

Für die drei Schwerpunktressorts berief Barroso drei Schwergewichte

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

In Europa wird die Macht neu verteilt. Mehr als zwei Monate nach Inkrafttreten des Lissabonvertrags wurde gestern eine neue EU-Kommission ins Amt gewählt. Das Europaparlament billigte gestern in Straßburg mit 488 zu 137 Stimmen bei 72 Enthaltungen die Liste von 26 Kommissionsmitgliedern, die vom amtierenden Präsidenten José Manuel Barroso geführt werden. Der hatte sich schon vorab von Rat und Parlament für weitere fünf Jahre bestätigen lassen.

Nur so sei die Kommission in der Übergangszeit handlungsfähig, hatte der Portugiese argumentiert. Tatsächlich scheint es, dass Barroso nicht länger den braven Büttel der Staats- und Regierungschefs spielen will. Stattdessen sucht er die Nähe des durch den Lissabonvertrag ebenfalls gestärkten EU-Parlaments.

Es ist klar, dass Finanzmarktkontrolle, Währungsstabilität und der schrittweise Ausstieg aus der staatlichen Bankenstützung nach dem Ende der Wirtschaftskrise für die kommenden fünf Jahre einen Schwerpunkt der EU-Politik bilden werden. Für die damit befassten Ressorts hat Barroso drei politische Schwergewichte berufen.

Der spanische Sozialist Joaquín Almunia, dessen bisherige Arbeit als Währungskommissar sehr gelobt wurde, wechselt ins Wettbewerbsressort. Er wird darauf achten, dass die gewaltigen staatlichen Zuschüsse dem Geldkreislauf schrittweise wieder entzogen werden, ohne die damit verbundenen sozialen Härten zu vergessen. Der französische Konservative Michel Barnier, der für die Binnenmarktgesetzgebung zuständig sein wird, verfügt ebenfalls über enorme Erfahrung. Bei seiner Anhörung im EU-Parlament sprach sich Barnier für eine Steuer auf Finanztransaktionen aus, deren Erlöse auch für „globale Herausforderungen wie Klimawandel und Entwicklung“ verwendet werden könnten. Sein Arbeitsprogramm ist enorm: Barnier will die Gesetzgebung zur Finanzmarktaufsicht abschließen, das Bankensystem stärken, den Umgang mit hochriskanten Papieren regeln und den europäischen Zahlungsverkehr harmonisieren.

Der Dritte in diesem Männerbund ist der Finne Olli Rehn, der in der ersten Barroso-Kommission für Erweiterungsfragen zuständig war. Rehn kommt als neuem Währungskommissar die knifflige Aufgabe zu, hochverschuldeten Euroländern einen strikten Sparkurs aufzunötigen. In seiner Anhörung vor dem Parlament hat Rehn betont, dass er eine engere Koordinierung der europäischen Wirtschaftspolitik und eine verstärkte wirtschaftspolitische Überwachung „insbesondere für den Euroraum“ für notwendig hält. Ob Rehn dieselbe Standhaftigkeit beweist wie sein Vorgänger, ist völlig offen. Sicher ist aber, dass es den Mitgliedsländern nicht mehr so leicht wie bisher fallen dürfte, Sparauflagen aus Brüssel zu ignorieren. Denn in der EU ist im Lauf der Finanzkrise und des Griechenlanddebakels die Erkenntnis gewachsen, dass nationale Alleingänge den gesamten Euroraum und den Binnenmarkt in Gefahr bringen.