„Unehrliche Wahlen – das war doch klar“

SUDAN II Im autonomen Südsudan wundert man sich höchstens, warum der Wahlboykott erst jetzt erfolgt

„Der Süden zieht sich immer mehr zurück hinter die eigenen Grenzen“

AUS JUBA ILONA EVELEENS

„Ich mache mir keine Sorgen über die politischen Intrigen rund um die nationale Präsidentenwahl. Nur das Referendum nächstes Jahr über die Unabhängigkeit von Südsudan ist mir wichtig“, meint Lino Limoi. Der Ingenieur sitzt mit Freunden im Schatten eines riesigen Baumes in einem kleinen Park in Juba, Hauptstadt des autonomen Südsudan. „Für mich sind die Wahlen nicht mehr als eine Fingerübung für das Referendum“, erklärt Limoi.

Viel Aufregung ist entstanden, nachdem die meisten Oppositionsparteien in Sudan beschlossen haben, Sudans erste Präsidentenwahl seit 24 Jahren am 11. April zu boykottieren. Nach dem Rückzug der südsudanesischen Regierungspartei und ehemaligen Rebellenbewegung SPLM (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung) entschloss sich am Donnerstag auch die Khartumer Opposition zu diesem Schritt. Die SPLM praktiziert aber keinen kompletten Wahlboykott, sondern boykottiert nur die Präsidentenwahl. Sudans Präsident Omar al-Bashir hatte gedroht, sonst die Volksstimmung über die Unabhängigkeit des Südens im Januar 2011 abzublasen.

In Juba stößt der Rückzug der SPLM auf Zustimmung. „Dadurch wird die Aufmerksamkeit auf das Thema des Wahlbetrugs gelenkt“, sagt Margaret Laku, Eigentümerin eines Geschäftes für gebrauchte Kleidung. Einige Kunden äußern sich ähnlich.

Aber manche politische Beobachter vermuten eher politische Ränkespiele hinter dem Streit. „Der Zeitpunkt wundert mich“, sagt Isaac Kenyi Kongur, Leiter des Büros für Menschenrechte der katholischen Kirche in Juba. „Warum erst jetzt über unehrliche Wahlen klagen, während wir das alle schon lange wussten? Das fing doch schon voriges Jahr an mit der Volkszählung.“ Das Ergebnis der Volkszählung, Grundlage für die Wahlen, ist vor allem in Südsudan umstritten. Die Autonomieregierung ist davon überzeugt, dass viel mehr Menschen im Süden leben als die offiziellen 8,2 Millionen in der Volkszählung.

Verschiedene Beobachter glauben, dass der Entschluss der SPLM, ihren Präsidentschaftskandidaten Yassir Arman zurückzuziehen, ein Teil eines politischen Deals zwischen SPLM und der NCP (Nationale Kongresspartei) von Sudans Präsident Omar al-Bashir ist. Vor einigen Wochen beschloss die NCP, keinen Kandidaten für die Präsidentschaft des autonomen Südens aufzustellen. Nun revanchiert sich die SPLM, indem sie Bashir im Norden nicht herausfordert. Bashir, der 24 Jahre nach seinem Militärputsch seine Macht durch Wahlen legitimieren will, möchte den Urnengang gewinnen. Er hatte Angst vor Yassir Arman, der als sein wichtigster Gegner gesehen wurde. Indem die SPLM ihn jetzt zurückzieht, hofft sie wiederum, sich bei Bashir rückzuversichern für die Volksabstimmung über die Unabhängigkeit des Südens.

„Die ganzen Entwicklungen sind nur politische Manöver“, meint Isaac Kenyi Kongur. „Am Ende wird sich wenig ändern. Bashir bleibt an der Macht. Der Süden zieht sich immer mehr zurück hinter die eigenen Grenzen. Für uns ist es ein kleiner Vorgeschmack auf unsere unabhängige Zukunft.“