Angst vor Bürgerkrieg in Dschalalabad

KIRGISIEN Der gestürzte Präsident Bakijew sammelt Anhänger im Süden des Landes. Aufgeben will er nicht. Vertreter der usbekischen Minderheit fürchten, dass ein ethnischer Konflikt provoziert werden könnte

Bakijew kann sich vorstellen, die Regierungsgeschäfte aus dem Süden zu führen

AUS DSCHALALABAD MARCUS BENSMANN

Der vertriebene kirgisische Präsident Kurmanbek Bakijew versammelt das Volk in Dschalalabad im Süden des zentralasiatischen Landes unweit der usbekischen Grenze. Auf der Zufahrtstraße zu dem Stadtviertel in Dschalalabad, wohin sich Bakijew mit seinen Anhängern zurückgezogen hat, parken Hunderte von Autos und Kleinbussen aus allen Provinzen Südkirgisiens. Rund 1.500 Menschen stehen auf einer Wiese. Eine Bühne ist aufgebaut, von einem Lkw dröhnen aus Verstärkern trotzige Reden. Bakijew tritt ans Mikrofon und fordert eine internationale Untersuchung der blutigen Vorfälle in Bischkek.

Dann lauscht er den Unterstützungsappellen. Auch sein Bruder Schanisch Bakijiew ist hier. Er war Chef der Staatssicherheit. Die neue Macht in Bischkek, die dem gestürzten Präsidenten mit einem Spezialeinsatz und Verhaftung droht, wirft Schanisch vor, den Schießbefehl erteilt zu haben. „Wir fordern eine internationale Kommission. Wenn sie zu dem Schluss kommt, dass der Präsident und ich schuldig sind, beugen wir uns dem Urteil“, verspricht er. Am Dienstag will Bakijew mit tausenden Kirgisen direkt im Stadtzentrum demonstrieren. Bakijew kann sich vorstellen, die Regierungsgeschäfte aus dem Süden zu führen. „Vielleicht ziehen wir von Dschalalabad nach Osch“, sagt er.

Wenige Kilometer von dem Aufmarsch der Anhänger Bakijews entfernt sitzt der Bürgermeister von Dschalalabad, Mederbek Usenow. Am 8. April wurde er nach der Revolte in Bischkek von einer Bürgerversammlung ernannt. Der Kirgise bekennt sich zu der neuen Macht. „Bakijew ist zwar noch unser rechtmäßiger Präsident“, sagt er, aber es wäre für alle besser, wenn er das Land verlassen würde.

Usenow war 2005 einer der Mitstreiter der Tulpenrevolution und hat Bakijew mit den Weg zur Präsidentschaft geebnet. „Ich achte ihn noch als Person, aber seine Familie hat ihn verdorben“, sagt er. Usenow kritisiert auch die neue Regierung in Bischkek. „Die Opposition hat junge naive Leute vorgeschickt“, sagt er. Richtige Führer würden selbst vorangehen, aber „von den Oppositionsführern wurde keiner verwundet oder getötet“.

Der Bürgermeister will eine Eskalation in Dschalalabad verhindern, die Stadt habe daher auf Polizeipräsenz in der Nähe der Anhänger von Bakijew verzichtet. Auch hat sich Usenow mit Bakijew getroffen und hofft, dass der Präsident nicht versuchen wird, Dschalalabad zu erobern. Usenow steht im ständigen Kontakt mit Bischkek. „Sie haben mir eine Wache angeboten, ich habe aber abgelehnt“, sagt er.

Neben der Polizei patrouillieren Bürgermilizen nachts in den Straßen. Die werden von einem Milizenführer befehligt, der die jungen Männer rekrutiert hat. Ihm zufolge blufft Bakijew. „Er hat keine richtige Unterstützung mehr, nur die Familie und enge Verwandte stehen zu ihm“, sagt der durchtrainierte Mann. Aber die Lage könne jeden Moment explodieren. „Wenn es hier nur einen Toten gibt, haben wir einen Bürgerkrieg“, sagt er.

Der Führer der usbekischen Minderheit in Dschalalabad beobachtet die Ansammlung der Bakijew-Anhänger in der unmittelbaren Nachbarschaft mit Sorge. Knapp 40 Prozent Usbeken leben in der Stadt Dschalalabad und der gleichnamigen Provinz. „Unter Bakijew sind die Usbeken schikaniert wurden“, sagt Batyrow. Daher unterstützten die Usbeken die neue Macht in Bischkek. Zwar glaubt Batyrow, dass der flüchtende Präsident verloren habe, rechnet aber dennoch mit dem Schlimmsten. „Bakijew könnte einen ethnischen Konflikt provozieren“, aber die usbekischen Einwohner seien für diesen Fall abwehrbereit.