Ruanda als Afrikas grüner Vorreiter

ENERGIE Das dichtbesiedelte Land will Brennholz und Dieselöl durch Solarstrom und Biogas ersetzen

„In zwei Jahren sollen 16 Prozent der ruandischen Bevölkerung Elektrizität haben“

AUS KIGALI ILONA EVELEENS

Socken, eine Hose und Hemden hängen zum Trocknen am Stacheldraht. Das größte Solarenergieprojekt Afrikas südlich der Sahara liegt direkt neben einer Militärbasis auf der Spitze von Jali, mit 2.000 Meter der höchste Hügel der ruandischen Hauptstadt.

Noch generiert das Pilotprojekt nur 250 Kilowatt Strom, weniger als ein Prozent von Ruandas Verbrauch. Dabei sind nur 10 Prozent der etwa zehn Millionen Ruander an das Stromnetz angeschlossen. Jährlich produziert die Anlage 325.000 Kilowattstunden, CO2-frei.

„Es ist eine wunderbare Energie“, meint Projektleiter Anthony Simm. „Die Sonne ist umsonst, und es gibt hier reichlich davon. Das Problem sind die Installierungskosten. Die Solarpanels wurden in der letzten Zeit zwar billiger, aber sie sind noch teuer.“ Gebaut und finanziert wurde die 2007 eröffnete Anlage von den Stadtwerken Mainz. „Wir hofften, genug zu verdienen, um die Betriebskosten zu decken. Aber der Preis, den wir bekommen, ist zu niedrig“, erzählt Simm. „Dabei sind die Betriebskosten nicht hoch, wir brauchen nicht mal Wächter, weil die Anlage neben der Militärbasis liegt.“ Aber der staatliche Abnehmer Electrogaz diktiert den Abnahmepreis.

Eine Milliarde Menschen leben in Afrika, nur die Hälfte hat Elektrizität. Die anderen sind für Licht und Küche auf Kerosin, Brennholz und Holzkohle angewiesen. Ein durchschnittliche Kerosinlampe stößt in sieben Jahren eine Tonne CO2 aus.

„Wir möchten gerne mehr Sonnenergie nutzen, aber es ist teuer“, sagt Augustine Hategeka von Ruandas Energieministerium. „Wir verstehen das Problem in Jali, aber der Strompreis in Ruanda ist schon hoch. Ihn zu erhöhen, würde nur mehr Menschen von Strom ausschließen, während wir dabei sind, mehr Haushalte anzuschließen. In zwei Jahren sollen 16 Prozent der Bevölkerung Elektrizität haben.“

Momentan kommt Ruandas Strom aus Wasserkraft und Ölverbrennung. Aber das importierte Dieselöl ist sehr teuer und häufige Dürreperioden machen die Wasserkraft unsicher. Man sucht nun geothermische Energie, reichlich vorhanden in dem Land mit vielen Vulkanen, und will auch das Methangas im Kivu-See ausbeuten.

„Beinahe jeder kocht mit Holz, auch hier in Kigali. Das muss aufhören“, meint Augustine Hategeka resolut. „Abholzung ist ein riesiges Problem. Baumzucht für Brennholz ist kaum eine Lösung, weil Ruanda nicht nur klein ist, sondern auch das dichtestbevölkerte Land in Afrika. Das zwingt uns zu einer grünen Vision.“ Durchschnittlich hat jede Familie in Ruanda sechs Kinder. Überall in Ruanda sind immer Menschen zu sehen. Bei Reisen durch das Land ist es unmöglich, irgendwo anzuhalten und draußen ungesehen zu pinkeln.

In Gasabo, dreißig Kilometer von Kigali entfernt, müssen Autos vorsichtig fahren auf der schmalen, steilen Dorfstraße. Die Schule ist gerade zu Ende, Kinder hüpfen herum. Durch den Ort führen Stromkabel, aber kein Einwohner ist an das Elektrizitätsnetz angeschlossen.

„Zu teuer“, meint die Marktfrau Josephine Mukamusana. „Meine Energieversorgung kommt aus dem Stall.“ Jeden Tag sammelt sie die tierische Ausscheidung von zwei Kühen und steckt sie in die Gasinstallation neben ihrem Haus. Drei Eimer Kuhdreck mit sechzig Liter Wasser decken den täglichen Bedarf. Auch das ist ein Pilotprojekt: 5.000 Haushalte in Ruanda sollen Biogasanlagen bekommen.

Josephine musste lange überlegen, bevor sie sich entschloss, von ihrem kleinen Gemüsegarten ein paar Quadratmeter für den Bau einer unterirdischen Biogasinstallation zu opfern. Die Investition war teuer: 1.000 Euro. Die Regierung gibt 400 Euro Subvention. Wer Baumaterialien beisteuert, hat weniger Kosten. Für den Rest gibt es spezielle Bankkredite mit niedrigen Zinsen.

Josephine ist jetzt froh. Abends brennt in ihrem kleinen Haus Licht, sie kocht auf Gas. Lampenöl, Kerosin und Holz muss sie nicht mehr so viel kaufen – das spart Geld. „Auch produziert die Installation flüssige Düngemittel. Das benutze ich für meine Bananenbäume, Mais und Bohnen. Seitdem habe ich meine Ernte beinahe verdoppelt.“