Obskure Taliban-Kontakte

AFGHANISTAN Die Berichte über Gespräche mit den Taliban zeigen, dass ein möglicher Verhandlungsprozess noch ganz am Anfang ist. Machtkampf lähmt neuen Friedensrat

AUS KABUL THOMAS RUTTIG

In das Thema von Verhandlungen mit den afghanischen Taliban scheint Bewegung geraten zu sein. Zuerst meldete am Mittwoch die Washington Post hochrangige Gespräche zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung. Beide Seiten dementierten, wobei Kabul regelmäßige Kontakte zugab. Diese seien aber noch nicht substanziell. Dann zog der britische Guardian nach und berichtete von separaten Kontakten zum Haqqani-Netzwerk, einer Taliban-Untergruppe in Südost-Afghanistan – eine Möglichkeit, die die Post noch ausgeschlossen hatte. Dessen Führer Seradschuddin Haqqani war bereits in den vergangenen Monaten von afghanischen Unterhändlern kontaktiert worden, hatte diese aber aufgefordert, sich direkt an Taliban-Führer Mullah Muhammad Omar zu wenden.

Der Kommandeur der Isaf- und US-Truppen, General David Petraeus, hatte zuvor ebenfalls davon gesprochen, hochrangige Taliban hätten gegenüber Kabul Verständigungsbereitschaft gezeigt, dann an anderer Stelle aber nur von 20 kleinen Gruppen im Inland geredet. Der UN-Sondergesandte für Afghanistan malte sich dann öffentlich eine Verhandlungslösung bis Juli 2011 aus, wenn US-Präsident Barack Obama mit dem Abzug der US-Truppen beginnen will.

Am 28. September hatte Präsident Hamid Karsai die Namen der 68 Mitglieder des seit Juni angekündigten, aber immer wieder verschobenen „Hohen Friedensrates“ bekannt gegeben. Der Rat soll Gespräche mit den Taliban anbahnen. In Afghanistan war diese Liste – die eine Reihe mutmaßlicher Kriegsverbrecher der 1980er-Jahre enthält – auf starke, aber nur intern ausgesprochene Kritik gestoßen. Selbst Analysten, die dem Gremium nahestehen, sprachen von einem Fehlansatz, der durch die tiefen Meinungsverschiedenheiten zwischen Schlüsselmitgliedern lahmgelegt werde. Noch immer gibt es etwa keinen Vorsitzenden. Darum streiten sich zwei Expräsidenten und Mudschaheddinführer, die Karsai beide nicht verprellen will. Bei dem Rat geht es auch um hohe Projektgelder. Westliche Staaten haben Millionen zugesagt, auch Deutschland.

Schließlich trafen sich Anfang der Woche ehemalige pakistanische Geheimdienstler und Oppositionspolitiker, meist Paschtunen, mit afghanischen Kollegen, darunter einem ehemaligen hochrangigen Taliban-Vertreter, in Kabul im Rahmen des sogenannten Abu-Dhabi-Prozesses, finanziert vom gleichnamigen Emirat. Dabei ging es um mögliche Verhandlungsansätze. Aber die Geheimniskrämerei, die das veranstaltende East West Institute mit Sitz in den USA und Brüssel darum machte, ließ Mutmaßungen ins Kraut schießen.

Zweifel an Bereitschaft zum Friedensschluss

Der Schlüssel zum Verständnis all dieser Äußerungen liegt außerhalb Afghanistans. Petraeus und die UN stehen beide unter dem Druck Obamas, der das Afghanistan-Engagement der USA bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen 2012 beenden will. Dafür müssen aus Afghanistan Erfolge gemeldet werden können, um den Abzug – ähnlich wie im Irak geschehen – begründen zu können, selbst wenn sich das mit der wirklichen Lage schlecht vereinbaren lässt.

Zudem muss generell bezweifelt werden, ob es überhaupt eine Bereitschaft und eine Strategie zum Friedensschluss mit den Taliban gibt. In Afghanistan deutet eher vieles darauf hin, dass Petraeus weiter darauf setzt, die Aufständischen militärisch zu schwächen. Und Karsai und seine Anhänger wollen womöglich ihre Macht nicht teilen – schon gar nicht mit den Taliban, die im Vergleich zu ihnen eine deutlich breitere Machtbasis besitzen.