Ungarns Regierung bittet Unternehmen zur Kasse

KRISE Telekommunikationsfirmen, Handelsketten und Energiekonzerne sollen Haushalt sanieren

WIEN/BUDAPEST taz | Mit drei neuen Krisensteuern will Ungarns Regierung aus dem Wirtschaftstief finden. Ab Dezember sollen die Energiekonzerne, Telekommunikationsfirmen und die großen Handelsketten mehrere Millionen Euro an den Budapester Fiskus überweisen. Das wurde Anfang der Woche im Parlament beschlossen. Je nach Umsatzhöhe werden 0,1 Prozent bis maximal 2,5 Prozent erhoben.

Premier Orbán wusste das Projekt seiner rechtspopulistischen Regierungspartei Fidesz rhetorisch gut zu verkaufen: es sollten die zur Kasse gebeten werden, die in den letzten Jahren großen Profit gemacht haben. Die Menschen, die bisher die Kosten der Krisenbewältigung geschultert haben, sollen entlastet werden. Er rechnet mit Einnahmen von 620 Millionen Euro, die bei Unternehmen wie Aldi oder E.On, der ungarischen Tochter der Deutschen Telekom, eingetrieben werden sollen. Gegen das Gesetz stimmte nur die sozialistische MSZP. Die Abgeordneten der alternativen LMP – „Politik kann anders sein“ – enthielten sich. Sie halten die neuen Steuern für undurchdacht. Wie viele Projekte Orbáns wurde das Gesetz ohne Debatte durchs Parlament gepeitscht. Den Abgeordneten ließ er keine Zeit, die Rechnungen zu überprüfen.

Von einer Langzeitstudie über die Auswirkungen der vorerst auf drei Jahre begrenzten Steuern war keine Rede. In der LMP befürchtet man, dass die Konzerne die Belastung an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergeben werden oder bei Personalkosten sparen. Proteste der betroffenen Unternehmen sind kaum zu vernehmen.

Wirtschaftsexperten vermuten, dass Orbán mit der Steuer die künftigen Steuererleichterungen für Unternehmen und die Einführung einer Flat Tax von 16 Prozent 2011 vorfinanzieren will. Unternehmergewinne sollen maximal mit zehn Prozent besteuert werden. Davon verspricht man sich Wachstumsimpulse und die angestrebte „Unabhängigkeit der ungarischen Wirtschaft“. Das klingt nicht nur gut für die Konsumenten. Kurzfristig ist einfach bei den Steuerzahlern wenig zu holen. Rund 700.000 Menschen können derzeit ihre Kreditschulden nicht mehr bedienen.

Eine Flat Tax bei der Einkommensteuer begünstigt die Besserverdienenden. Der heute schon arme Teil der Gesellschaft profitiert kaum von den Steuergeschenken. Vor allem die Roma, von denen die wenigsten ein formales Einkommen haben.

RALF LEONHARD, MARTON GERGELY