LESERINNENBRIEFE
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Staatlich zwangsbeglückt

■ betr.: „Todsünden in der Butterbrotdose“, taz vom 13. 11. 10

Die Erfahrung der Autorin hab ich auch schon gemacht. Meinem (sehr schlanken!) Kind wurde von seiner ersten Lehrerin verboten, mit Schokolade überzogene (Bio!-)Datteln zu essen, die ich ihm mitgegeben hatte, weil ich mal keine Zeit hatte, Gemüsemuffins zu backen, wie sonst meist. Und die (Bio-)Apfelschorle sollte es auch nicht sein; bitte Wasser! Das Beste dabei war: Die Lehrerin verteilte Gummibärchen und Marshmallows als Belohnung und wog selbst einen Kilo auf den laufenden Zentimeter.

Von der Anekdote abgesehen, leider wird inzwischen aber auch bei jedem Problem immer gleich nach Kontrolle und Verboten gerufen – von Bürgern und Medien: „Kinder zu dick: Schulen sollen sich kümmern! Kinder mit Sprachproblemen: Kindergartenzwang! Eltern kümmern sich zu wenig: Ganztagsschule! Und zwar alles für alle!“ Wollen wir staatlich zwangsbeglückt werden?

Der Staat sollte sich um Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit kümmern. Einen Teufel tut er. Er spaltet stattdessen! Die daraus resultierenden Probleme lasten wir den Betroffenen dann als individuelle Schuld an. Und hinterher schreien wir dann auch noch, dass uns allen doch bitte bis ins letzte Detail unseres Privatlebens hineinregiert werden möge.

Datteln sind im Gegensatz zu Gummibärchen gesund – können wir das gesetzlich festschreiben? KARIN A. HUBER, München

Gemeingüter reprivatisieren

■ betr.: „Unser Haus, unser Bahnhof, unser Wasser“, taz v. 13. 11. 10

Der Kunstgriff des Kapitals bestand schon immer darin, sich aller Güter zu bemächtigen, auch der „Gemeingüter“, was ihm angesichts öffentlicher Armut („Politik der leeren Kassen“) und privaten Reichtums („Kapitalstau“) denn auch sehr leicht gemacht wurde. In früheren Zeiten gab es im germanisch-keltischen Herrschaftsgebiet die „Allmende“, eine von allen gleichermaßen nutzbare Ressource, die keinen Eigentümer kannte. Insbesondere bei der Bewirtschaftung von Grund und Boden spielte die „Allmende“ eine bedeutsame Rolle, worauf u. a. auch Prof. Binswanger, Mitte der 80er Jahre, den Fokus der Aufmerksamkeit zu lenken verstand. Das römische Eigentumsrecht verdrängte die „Allmende“ jedoch genau so konsequent, wie nun der nahezu allein herrschende Spätkapitalismus sich die letzten freien Güter, eben „Gemeingüter“, einzuverleiben versteht. Der einzige Ausweg aus dieser Sackgasse ist die Wiederbelebung gemeinschaftlichen Eigentums, etwa durch genossenschaftliche Organisationsformen oder durch eine konsequente „Kapitalneutralisierung“, wie sie u. a. bei Prof. Ota Sik und Prof. Folkert Wilken beschrieben wurde und im anthroposophischen Umfeld schon seit längerem konsequent umgesetzt wird. MICHAEL HEINEN-ANDERS, Köln

BBI Schönefeld – alles auf Anfang

■ betr.. „Der Himmel ist laut“, taz vom 9. 11. 10

Geradezu gebetsmühlenartig beschwören die Protagonisten des Flughafenprojektes in Schönefeld, dass es bei der aktuellen Diskussion nur um die Flugrouten ginge und nicht um den Flughafenstandort als solchen. Warum tun sie dies eigentlich – z. B. die Geschäftsführung der Flughafengesellschaft? Eigentlich könnte diese sich zurücklehnen und darauf bauen, dass die Landesregierungen ihre Machtfülle, die sie als Gesellschafter und Genehmigungsbehörde quasi in „Personalunion“ innehaben, weiterhin nutzen, um das Projekt durchzusetzen. Die Landesregierung Brandenburg beispielsweise scheint schließlich ihren Weg der Intransparenz und Kommunikationsverweigerung unbeirrt fortzusetzen, wenn man hört, dass Organisationen, die die am schwersten vom Fluglärm betroffenen Menschen vertreten und den Standort infrage stellen, zu Veranstaltungen des „Bündnisses am Boden“ erst gar nicht eingeladen werden. Nein, sie tun es, weil sie selbst am besten wissen, dass der drohende Lärmteppich sehr wohl untrennbar mit der sachfremden Standortentscheidung verwoben ist und das gesamte Projekt auch ökonomisch auf sehr wackeligen Füßen steht. Den Protest klein halten, ablenken, Zeit gewinnen, um Tatsachen zu schaffen – das ist jetzt die Parole. Das darf nicht gelingen!

Gefragt sind Führungskräfte, die jetzt die einzig richtige Konsequenz aus den in den letzten Wochen bekannt gewordenen Skandalen ziehen – auch um die geschwundene Glaubwürdigkeit des politischen Systems wiederherzustellen. Was die Region braucht, ist ein leistungsfähiger Flughafen, der den Steuerzahlern nicht dauerhaft auf der Tasche liegt und hunderttausende Anlieger nicht ihrer Lebensperspektive beraubt. Diesen Flughafen wird es in Schönefeld nicht geben können. MATTHIAS SCHMIDT, Berlin