Nach Brand in Lager in Australien: Flüchtlinge als Spielball der Politik

Die gewaltsamen Proteste in einem Internierungslager für Asylsuchende sind eine Folge des Versuchs von Politikern, härter zu wirken als die politische Konkurrenz.

Spielball der Politik: Flüchtlinge sitzen auf dem Dach des Villawood-Internierungslagers. Bild: dapd

SYDNEY taz | Das Villawood-Internierungslager im gleichnamigen Vorort von Sydney glich am Donnerstag einer Kriegszone. Einhundert protestierende Inhaftierte hatten am Vortag mehrere Gebäude angezündet. Die Feuerwehr brachte die Brände erst nach mehrstündigem Einsatz unter Kontrolle. Laut dem Sprecher der Immigrationsbehörde sei es "ein Wunder", dass im Lauf der Ausschreitungen niemand verletzt worden war.

Nach Angaben von Flüchtlingsorganisationen hatten die randalierenden Asylsuchenden dagegen protestiert, dass die Bearbeitung ihrer Anträge auf Schutz in Australien über ein Jahr dauere. Einige Flüchtlinge säßen seit fünf Jahren hinter Gittern. Am längsten warten müssen sogenannte Boatpeople. Bis zu 6.000 Menschen pro Jahr versuchen, über Indonesien in Fischerbooten nach Australien zu gelangen. Sie stammen zumeist aus Afghanistan, Irak und Sri Lanka. Oft werden sie vor der nördlichen Küste von der australischen Marine abgefangen und auf der zu Australien gehörenden Weihnachtsinsel interniert. Auch dort kam es im März zu Ausschreitungen. Da die Zahl der Bootsflüchtlinge in den letzten Monaten zugenommen hat, sind auch die Asyllager auf dem Festland überfüllt.

Die Bootsflüchtlinge sind seit Jahren zum Spielball der Politik geworden. Die konservative Opposition und die regierende Laborpartei versuchen, sich gegenseitig an "Härte" gegen die Flüchtlinge zu übertreffen. Härte bringt Stimmen: In der Bevölkerung herrscht eine Abneigung gegen Asylsuchende. Auch Rassismus spielt hinein: Muslimische Flüchtlinge finden wenig Verständnis, wenn sie nach Australien kommen, "um sich unseren Lebensstil anzueignen", wie einflussreiche rechte Kommentatoren behaupten.

Oppositionsführer versprach, "Boote zu stoppen"

Oppositionsführer Tony Abbott versprach im letzten Wahlkampf, im Falls seines Siegs "die Boote zu stoppen" und Flüchtlinge zur Umkehr zu zwingen - im Wissen, dass immer wieder Boote kentern und Fliehende ertrinken. Im Dezember 2010 zerschellte vor der Weihnachtsinsel ein Boot. Dutzende Menschen starben. Die regierende Laborpartei unter Premierministerin Julia Gillard verfolgt zwar eine etwas humanere, aber doch sehr restriktive Politik. Sie führt die Praxis der konservativen Vorgängerregierung fort und zwangsinterniert alle Bootsflüchtlinge.

Nicht nur verglichen mit der Zahl der in anderen Ländern Asyl Suchenden sind 6.000 Bootsflüchtlinge pro Jahr wenig. Die Zahl der Touristen, die ihre Visumsfrist überziehen, liegt bei 50.000. Doch die meist aus Europa stammenden Besucher werden selten belangt. Wer dagegen den gefährlichen Weg über die Timorsee nimmt, macht von dem international geltenden Recht Gebrauch, in einem Drittland Schutz zu suchen. Das Gros der Ankömmlinge wird vom Australien schließlich auch als asylberechtigt anerkannt.

Kritiker fordern seit Jahren, Asylsuchende sollten wie in anderen Ländern nicht interniert sein, während über ihr Gesuch entschieden wird. Der frühere Menschenrechtsbeauftragte Sev Odzovski klagt, nach wie vor säßen rund eintausend Kinder in Internierungshaft. Vor sieben Jahren hatte Odzovski in einem Bericht gefordert, die Internierungspolitik zu überdenken, weil sie gegen fundamentalste Menschenrechte verstoße. Trotz gegenteiliger Aussagen der Regierung seien Kinder weiter eingesperrt, "weil es unseren Politikern an moralischer Führungskraft fehlt", so Odzovski. Die Zwangsinternierung sei gerade für Kinder äußerst schädigend. "Bei meinen Besuchen habe ich Kinder mit klinischer Depression und posttraumatischem Stresssyndrom getroffen: von Albträumen geplagt, bettnässend und selbstmordgefährdet".

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